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Serbien: Neuwahlen im Frühsommer

Die Ergebnisse der Dezember-Wahlen sind eine wacklige Regierung und eine zerstrittene Opposition / Politikverdrossenheit grassiert / Parteien bereiten sich auf Neuwahlen vor  ■ Aus Belgrad Karen Thürnau

Wurde wirklich gewählt, oder war alles nur ein kurzer Traum? Von Nachwahlfieber zumindest ist in Serbien nichts zu spüren – kein Gerangel um Ministerposten, keine Koalitionsgespräche, keine Kandidatendiskussion. Immerhin trat gestern, einen Monat nach den Wahlen, das neue Parlament der ex-jugoslawischen Republik zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Wichtigster Tagesordnungspunkt: die Wahl des Parlamentspräsidenten, eigentlich alles andere als ein Schlüsselstellung.

Aber diese erste Aktivität der Ende Dezember neugewählten Volksvertretung war ein Testfall, um das Kräfteverhältnis zwischen Regierung und Opposition auszuloten. Die Fragen des Tages waren, wie stark und vor allem wie einig die Oppositionsparteien handeln, und wieviel Macht kann sie den regierenden Sozialisten im künftigen Parlament abringen. Gvoďen Rosić, der Abgeordnete des Oppositionsbündnisses „Depos" (Demokratische Bewegung Serbiens), auf den sich die Opposition nach kurzen Verhandlungen hatte einigen können, verfehlte dann auch prompt knapp die Mehrheit. Die Parlamentswahlen hatten eine faktische Pattsituation geschaffen: Die sozialistische Partei erhielt zwar die meisten Stimmen, verfehlte aber knapp die absolute Mehrheit im Belgrader Parlament. Auf der Suche nach „Verrätern“ aus den oppositionellen Reihen hatte sich Präsident Slobodan Milošević letzte Woche gar dazu herabgelassen, die Führer der sechs wichtigsten Oppositionsparteien zum Gespräch zu laden. Damit schien der Waffenstillstand zwischen sozialistischer Regierung und „bürgerlicher“ Opposition zunächst zwar besiegelt, selbst die Kränkungen und Verhaftungen der Vergangenheit vergessen. Aber auf eine offene Koalition mit der Partei Miloěvićs wollten sich die Oppositionsparteien dann doch nicht einlassen.

Da eine Minderheitsregierung der Sozialisten ebensowenig Unterstützung findet, scheint nunmehr eine „Regierung der nationalen Einheit“ die wahrscheinlichste Lösung zu sein. Vor allem der Chef der „Demokraten“, Zoran Djindjić, hatte die Idee zu einem derartigen Konstrukt aus Vertretern der großen Parteien und überparteilichen Experten ins Gespräch gebracht. Die Sozialisten griffen den Vorschlag zwar auf, zeigten sich aber gegenüber den großen Oppositionsparteien nicht kompromißbereit genug. „Wir sollen den Sündenbock spielen, aber bekommen keine Kompetenzen“, resümierte der Vorsitzende der „Serbischen Erneuerungsbewegung“, Vuk Drašković, den Stand der Verhandlungen vorige Woche.

Die Situation bleibt festgefahren. Am Ende verhalfen zwar die beiden Abgeordneten des „Demokratischen Bundes der Ungarn“ aus der nordserbischen Vojvodina den Sozialisten zur nötigen Mehrheit für die Regierungsbildung. Diese neue Regierung aber ist eine höchst instabile Konstruktion, selbst tagespolitische Entscheidungen hängen von der jeweiligen Anwesenheitsliste im Parlament ab. Die neue serbische Regierung wird es also noch schwerer haben als ihre Vorgängerinnen. Es ist also beinahe verständlich, wenn die Opposition alles Mögliche unternimmt, um nicht zufällig an die Macht zu kommen, zumal es auch dort im Gebälk knarrt.

Während des Wahlkampfes waren innenpolitische Machtkämpfe und notwendige Klärungsprozesse weitgehend ausgesetzt worden, die jetzt jederzeit ausbrechen können. In offenen Briefen werfen Abtrünnige und Enttäuschte aus Draškovićs „Serbischer Erneuerungsbewegung“ und Djindjićs „Demokratischer Partei“ ihren Führungen „autoritäres Gehabe“ und „Machtmißbrauch“ vor. Die „Bauernpartei behauptet, „Depos“ habe sie um Mandate betrogen, Rücktrittsdrohungen, Mandatsentzüge und ständige Vertrauensabstimmungen runden das Bild eines heillos zerstrittenen Haufens ab – ein gefundenes Fressen für das regimetreue Fernsehen, das plötzlich sehr genau und ausführlich über die Aktivitäten der Opposition berichtet.

Das alles ließe sich als normaler politischer Reifungsprozeß abtun – würde nicht bei den BürgerInnen Serbiens mehr und mehr der Eindruck entstehen, bei „ihren“ politischen Parteien handle es sich weniger um Plattformen zur Realisierung politischer Programme als um Familienverbände, in denen es in erster Linie um die Besetzung möglichst einflußreicher Positionen geht. Unterdessen demonstrieren die Sozialisten Geschlossenheit und Professionalität. Aber auch ihre Position ist von Wahlgang zu Wahlgang schlechter geworden, die Verzögerungstaktik der Regierungen der Milošević- Partei arten mehr und mehr in ein reines Durchwurschteln durch die Fährnisse der Tagespolitik aus. Politische Beobachter gehen denn auch von baldigen Neuwahlen aus – spätestens im Frühsommer. Das Wahlkampfkonzept der „Demokraten“ soll gar schon fertig in der Schublade liegen.

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