■ Mit Nikkei-Stürzen auf du und du
: Baisse durch Politchaos

Tokio (taz) – „Nicht so schlimm“, diagnostizierte der Premierminister das Börsenfiasko, „die Kurse werden wieder steigen.“ Nur ob er dann noch im Amt zu sein gedenke, diese Frage wollte Morihiro Hosokawa nicht beantworten. Tatsächlich signalisierte die vorprogrammierte Baisse nur halbe Wahrheiten. Denn obwohl man erwartete, daß die Kurshändler die sich fortsetzende Regierungskrise mit Mißfallen kommentieren würden, war es gestern gerade die Wirtschaft, die sich hinter den Premierminister stellte. „Alles sollte getan werden, um die Auflösung des Parlaments und ein politisches Vakuum zu verhindern“, votierte Arbeitgeberpräsident Gaishi Hiraiwa. So deutlich hatten Nippons Bosse die von Sozialdemokraten mitgeführte Regierung selten unterstützt.

Natürlich gab der Börsenkrach den Unternehmern unmittelbaren Anlaß zur Sorge. Der Nikkei-Index verlor gestern 954,19 Punkte oder 4,9 Prozent und sackte auf 18.353,24 Punkte ab – das ist der höchste Tagesverlust seit 30 Monaten. „Nur wenn die politischen Reformen durchkommen“, kommentierte Yasuo Oeki vom Wertpapierhaus Nikko, „kann der Abwärtstrend gestoppt werden.“ Die für japanische Verhältnisse ungewöhnliche Verflechtung des Börsengeschehens mit den Ereignissen im Parlament, ergibt sich diesmal aus den unmittelbaren politischen Prioritäten der Regierung. Während eines Treffens Hosokawas mit dem Wirtschafts- und Finanzminister kam man gestern erneut überein, daß ohne vorherige Verabschiedung der politischen Reformgesetze an die Planung des Staatshaushaltes und weitere Konjunkturmaßnahmen nicht zu denken sei. Die Wirtschaft wartet seit Wochen auf ein Belebungsprogramm über 200 Milliarden Mark. „Das politische Chaos läßt die Aktien drastisch fallen“, kommentierte Japans führende Wirtschaftszeitung Nihon Keizai.

Doch geht es an der Tokioter Börse nicht nur um Politik. So verrieten gestern die japanischen Autohersteller, daß ihre Produktion erstmals seit dem Krieg drei Jahre in Folge sank. 1993 brachte der japanischen Paradebranche einen Produktionsrückgang um 10,2 Prozent auf 11,2 Millionen Fahrzeuge. „Wenn man das Durcheinander so läßt, wie es ist, wird sich die Lage mit Sicherheit verschlimmern“, rügte Toyota-Chef Shoichiro Toyoda die japanischen Zustände. Doch es blieb unklar, wo er das Durcheinander erblickt: im Parlament, an der Börse oder nur im eigenen Unternehmen. Was widerum beweist, daß auch die Generäle der Japan AG derzeit nicht weiterwissen, und das ist für das Land nicht nur neu, sondern gut. Georg Blume