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Wenn Banker zu sehr betrügen

Seit einem halben Jahr stehen Ex-Manager der DG Bank vor Gericht / Vier Milliarden Schaden durch illegale Wertpapiergeschäfte  ■ Von K.-P. Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Der frühere Chef der Deutschen Genossenschaftsbank, Helmut Guthardt, ist kein Dummkopf. Als in seiner Bank 1991 ein gewaltiger Wertpapierschwindel intern offengelegt wurde, spielte er die Affaire selbst hoch und trat danach vom Vorstandsvorsitz zurück. Und deshalb stehen heute andere vor den Schranken der Wirtschaftsstrafkammer des Frankfurter Landgerichts.

Zusammen mit drei weiteren Bankern müssen sich seit Juni 1993 der Ex-Chefrentenhändler der DG Bank, Friedrich Steil, und sein Ex- Kollege aus der Finanzmaklerei, Rolfdieter Kaiser vor Gericht wegen Untreue verantworten – eine geradezu peinliche Angelegenheit für die führende Genossenschaftsbank in Deutschland. Denn die DG Bank wird den Nachweis dafür erbringen müssen, daß bei ihr vier Jahre lang munter illegale Geschäfte getätigt wurden – und das unter den Argusaugen der Herren aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrat.

Doch mit Steil und Kaiser, so die Verteidigung der beiden Hauptangeklagten im Verfahren um die sogenannte „Rentenaffaire“, seien nur ehemalige Angestellte der Bank vor den Kadi gezerrt worden. Eigentlich gehöre Ex-Vorstandschef Helmut Guthardt mit auf die Anklagebank, denn die umstrittenen Wertpapiergeschäfte mit französischen Banken in den Jahren 1986 bis 1990 seien – so Steil und Kaiser – nicht ohne Wissen von Guthardt abgewickelt worden. Warum die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht zu einer Anklageerhebung auch gegen Guthardt führten, ist für die Verteidigung noch immer eine offene Frage. Immerhin, so die Einlassungen von Kaiser, habe Guthardt schon vor den zum Hauptanklagepunkt erhobenen dubiosen Wertpapiergeschäften mit unsauberen Methoden Geschäfte bei Inhaberschuldverschreibungen gemacht. Als „Guthardts Sparkasse“ hätten sie bei der DG Bank die vom Vorstandsvorsitzenden selbst „entdeckte“ Einnahmequelle genannt.

Auch die Anwälte von Steil haben dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen in Berlin schon 1991 mitgeteilt, daß Guthardt, der auf einen aggressiven Wachstumskurs der DG Bank setzte, das Unternehmen mit umstrittenen Praktiken hochpushen wollte. Mit diesen Praktiken habe Guthardt bewußt die bankenaufsichtsrechtlichen Bestimmungen verletzt und die Mindestreservevorschriften der Bundesbank schlichtweg ignoriert.

Doch was genau Guthardt, der unter anderem über das Hamburger Milch-, Fett- und Eierkontor und die Stuttgarter Zuckerrübenverwertungsgesellschaft bis an die Spitze der DG Bank vorgestoßen war, getan oder gelassen hat, beschäftigt noch heute die Experten. Im Prozeß wurden zwei Gutachter von der Verteidigung wegen Befangenheit abgelehnt. Und ein angefragter Dritter wagte sich erst gar nicht an die Materie heran. Ein renommiertes Frankfurter Institut ist inzwischen dabei, eine Expertise zu erstellen – Ergebnis offen. Falls sich die Vorwürfe von Steil und Kaiser an die Adresse von Guthardt erhärten, braucht sich der heute amtierende Vorstand der DG Bank allerdings keine allzu großen Sorgen zu machen. Sollten von Ex-Vorstandschef Guthardt tatsächlich Manipulationen im größeren Stil begangen worden sein, kann das Bundesaufsichtsamt ohnehin nur die Abberufung der dafür verantwortlichen Vorstandsmitglieder verlangen. Guthardt ist schon von selbst gegangen – und andere, vor allem von Kaiser beschuldigte Vorstandsmitglieder sind ihm in einem „Selbstreinigungsprozeß“ (DG Bank) gefolgt.

Was bleibt, ist der Imageschaden für die Bank – und der damit verbundene gesamte „Schadensfall DG Bank“ in seiner monetären Dimension. Der wurde vom neuen Vorstandsvorsitzenden Bernd Thiemann auf die stolze Summe von rund vier Milliarden Mark beziffert. Um wieder auf den „Status quo ante“ zu kommen, so Thiemann, werde die Bank etwa zehn Jahre brauchen. Da nimmt sich der deutsch-französische Schadensfall, den Steil, Kaiser und ihre Kollegen verursacht haben sollen, vergleichsweise bescheiden aus: 800 Millionen Mark in vier Jahren.

Noch bescheidenere Dimensionen hat der bislang letzte Skandal bei der DG Bank: Mitte Dezember verschwanden aus dem Tresor der Bank Wertpapiere im Marktwert von 21 Millionen Mark. Nur Tage später schnappte die Polizei in Luxemburg einen Hehler, der dort Wertpapiere aus dem Tresor der Bank verkauft hatte. Nach Auskunft der Staatsanwaltschaft solle es sich bei dem Mann nicht um einen Manager der DG Bank handeln.

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