Gaddafis Finanzjongleure tricksen UN-Boykott aus

■ Libyens Auslandskapital wird in arabische Staaten und Dritte Welt verschoben

Kairo (taz) – Die Vereinten Nationen wollen den libyschen Auslandskonten an den Kragen. Vor gut einer Woche beschloß nun auch das Finanzparadies Schweiz, das der UN nicht angehört, sich den vom UN-Sicherheitsrat eingeleiteten Sanktionen gegen Libyen anzuschließen, mit denen die Auslieferung der in der Lockerbie-Affaire beschuldigten Libyer Amin Khalifeh Fahima und Abdel Baset Al-Meghrahi erzwungen werden soll. Das UN-Gremium hatte beschlossen, zum 1. Dezember alle Auslandsguthaben, die direkt oder indirekt dem libyschen Staat gehören, einzufrieren.

Internationale Finanzexperten schätzen die libyschen Finanzinvestitionen im Ausland auf 17 Milliarden Dollar, zusätzlich zu vier Milliarden Dollar langfristiger fester Anlagen. Allerdings hat außer einem kleinen Kreis libyscher Finanzexperten keiner einen genauen Überblick darüber, wo und in welchem Umfang dieses Geld eigentlich angelegt ist. Zudem haben die Libyer in den Monaten vor Inkrafttreten der Sankionen mit umfangreichen Finanztransaktionen einen großen Teil ihrer Guthaben aus den westlichen Metropolen abgezogen und nach Asien, Marokko, Tunesien und Ägypten sowie auf Bankkonten am Golf überwiesen – in der Hoffnung, daß diese Länder aufgrund des eigenen Devisenmangels kaum ein Interesse an einer ernsthaften Durchsetzung des Finanzembargos haben werden.

„Wir wollen nicht alle Eier in einen Korb legen“, hatte der libysche Außenminister Mutasser bereits bei einem Besuch im letzten Mai in Kuala Lumpur erklärt. Anders als die Golfländer hatte Libyen schon immer einen Teil seiner Öleinnahmen in der Dritten Welt investiert, um damit den Führungsanspruch von Gaddafis „Grünes Buch“-Ideologie auch finanziell zu untermauern.

Nach Informationen der saudischen Tageszeitung Sharq Al-Awsat wurden im letzten Jahr für zwei bis drei Milliarden Dollar Finanzpapiere verkauft und die Erlöse teilweise als Papiergeld nach Libyen geflogen. Der Rest floß auf Privatkonten in der Schweiz, Ägypten, Zypern und Bahrein. Die Libyer sollen ein ganzes Netz von arabischen, aber auch nichtarabischen Geschäftsleuten rekrutiert haben, die unter ihrem Namen die Finanzgeschäfte des Gaddafi-Regimes weiterführen.

Allein in Großbritannien sollen Konten libyscher Firmen im Umfang von 577 Millionen Dollar aufgelöst worden sein. Firmen wie die in London registrierte Umm Al- Jawabiy Oil Services, die einen Großteil der libyschen Guthaben in Großbritannien verwaltete, stellten im Oktober ihre Zahlungen an Schuldner und Zulieferer ein. Sie wurden darauf vertröstet, daß es der Gesellschaft erlaubt sei, nach dem 15. Dezember neue Konten für die Öleinnahmen einzurichten. Auf dieses Schlupfloch hatten vor allem Deutschland, Frankreich und Italien gedrängt, die einen Großteil ihres Erdöls aus Gaddafis Reich beziehen.

Einen Gutteil des abgezogenen Kapitals haben die Finanzjongleure in Direktinvestitionen verwandelt. Dabei kamen ihnen die laufenden Privatisierungsprogramme vor allem in Marokko und Ägypten gerade gelegen. Nach Informationen der libanesischen Tageszeitung Al-Hayat hat die libysche Investitionsgesellschaft vor, eine halbe Milliarde Dollar aus Frankreich nach Marokko abzuziehen. Dort verhandelt man derzeit über den Aufkauf von ehemals staatlichen Luxushotels und Tourismuseinrichtungen. Inzwischen ist Libyen nach den arabischen Emiraten der zweitgrößte Investor im marokkanischen Touristengeschäft. Auch in Ägypten haben die Nachbarn nach Angaben der Regierungszeitschrift Al-Ahram rund 1,5 Milliarden Dollar angelegt – vornehmlich in Fabriken auf Joint-venture-Basis und Immobilien. Der Boykottbeschluß würde sein Land nicht treffen, glaubt Mohsen Hudairi, Sprecher der halbstaatlichen ägyptischen Ahli-Bank, da die meisten Transaktionen von Privatpersonen oder Privatfirmen vorgenommen würden.

Problematisch wird es, wenn die Gelder in Finanz-Joint-ventures angelegt sind. Zu erheblichen Unstimmigkeiten zwischen der US- Administration und den beiden Ölscheichtümern Bahrein und den Emiraten kam es, nachdem die amerikanische Finanzverwaltung die Guthaben der bahreinischen Arabischen Finanzgesellschaft und der Arabischen Investitions- und Außenhandelsbank mit Sitz in Dubai einfrieren ließ. Die USA behaupten, daß die Arabische Finanzgesellschaft zu 60 Prozent in libyschen Händen sei; die Bahreinis halten dagegen, daß die Gesellschaft, zugleich größter VISA- Karten-Lieferant in der arabischen Welt, nur mit 11,7 Prozent libyschem Kapital arbeiten würde. Die Arabische Investitions- und Außenhandelsbank gehört zu jeweils 42 Prozent den Emiraten und Libyen. Der Finanzminister der Emirate hat inzwischen eine Kapitalstockerhöhung angekündigt, um den Anteil der Emirate auf mehr als 50 Prozent zu erhöhen.

Auch manche europäischen Unternehmen sitzen mit den Libyern in einem Boot und werden so zu Helfershelfern bei der Umgehung der Sanktionen. Nachdem die USA, Großbritannien und Frankreich den UN-Sanktionsbeschluß eingerichtet hatten, fürchteten italienische und deutsche Geschäftsleute, daß auch ihr Business zum Erliegen kommen würde. Sie sind gemeinsam mit der libyschen Finanzholding Oil Invest, die ihren Sitz in Holland hat, an mehreren Raffinerien und Vermarktungsgesellschaften beteiligt. Kurzentschlossen haben sie ihren Kapitalanteil bei Oil Invest auf 55 Prozent erhöht. Ivesa Lübben