Autos in der Rasterfahndung

■ Aachener Sozialamt gleicht Sozialhilfedaten mit dem Straßenverkehrsamt ab

Aachen (taz) – Volltreffer: 1.007 schwarze Schafe hat das Aachener Sozialamt auf einen Schlag aufgespürt. Es handelt sich um all jene der rund 7.500 Sozialhilfeempfänger der Stadt, auf die – entgegen eigenen Angaben – ein Auto zugelassen ist. Durch einen erstmals in der BRD durchgeführten Datenabgleich mit dem Straßenverkehrsamt hat die Stadt vermeintliche Lügner entlarvt und droht jetzt die Mittel zu streichen: Erst das Auto verkaufen, das Geld aufbrauchen, dann dürfe man erneut vorstellig werden.

Formaljuristisch scheint das Vorgehen in Ordnung. Eine Änderung des Sozialhilfegesetzes (117) aus dem Jahr 1993 macht die Rasterfahndung bei der Kfz-Behörde „zur Vermeidung rechtswidriger Inanspruchnahme von Leistungen“ möglich, auch wenn die Datenschutzbeauftragten Einwände hatten. Begeistert von der unerwartet hohen Zahl an vermeintlichen Leistungserschleichern sind derzeit die Aachener Behörden: Intern wurden bereits 800.000 Mark als Einsparung für das chronisch marode Stadtsäckel eingeplant. In der Praxis allerdings könnte alles ganz anders ausgehen.

Die 1.007 schwarzen Schafe sind in diesen Tagen um Erklärung für ihre Autofinanzierung gebeten worden. An schlüssigen Begründungen wird es nicht mangeln: Das (auf Sozialhilfe nicht anrechenbare) Erziehungsgeld des Partners gibt der Aachener Behördensprecher selbst als möglichen Grund an. Bei Behinderten und Kranken darf die Kommune ohnehin nicht verlangen, daß sie ihr Auto verkaufen. Das gilt auch für alle Sozialhilfeempfänger, die es zur Ausübung ihres Berufes brauchen, wie Taxifahrer oder wenn das Auto die Aufnahme einer Berufstätigkeit erleichtert. Auch wenn öffentliche Verkehrsmittel nicht vorhanden sind oder ihre Benutzung unzumutbar ist, muß auf den fahrbaren Untersatz nicht verzichtet werden. Und wer nur vorübergehend Sozialhilfe bezieht, braucht sein Auto nicht abzumelden. Vor allem wird es viele Fälle geben, in denen der Wagen zwar auf den Sozialhilfeempfänger zugelassen ist, er aber nur von Sohn oder Tochter benutzt wird. Und wo die Stadt gar mit rückwirkenden Regreßanforderungen droht, hilft die Erklärung, man habe den Wagen nach dem Erstantrag geschenkt bekommen.

Wer dann doch noch erklärungslos bleibt, muß verkaufen. Und hat das Geld womöglich schneller wieder ausgegeben, als Sozialämter ihre Akten zuklappen können. Oder er könnte – oh gnadenlose Marktwirtschaft – am Verkaufspreis scheitern: Unter Zwang und Zeitdruck seinen Wagen zur Finanzierung der Lebenshaltung zu verkaufen, dürfte erheblich weniger einbringen, als irgendwelche Schätzwerte aussagen. Bockig meint der Amtssprecher: „Die dürfen ihre Autos nicht unter Wert verkaufen.“

Und wenn einer dreisterweise mit einer Mark Verkaufspreis daherkomme, „werden wir das als Schenkung ansehen, die nicht rechtswirksam ist“.

Nicht daß es dann noch zu Prozessen kommt. Auch Rochus Kleineidam, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Aachener Wohlfahrtsverbände, schätzt, daß bei diesem sozialpolitischen Pilotversuch sehr viel weniger rauskommt, als großspurig erwartet. Und er hofft auf Ein- und Weitsicht der Behörden: „Nicht daß am Ende gerichtliche Entscheidungen die Sozialverwaltung zu Mehrausgaben zwingen.“ Bernd Müllender