„Keine Imitation“

■ Ein Gespräch mit Frau Werner, die mit dem Bolshoi-Orchester auftreten darf Von Julia Kossmann

Kennen Sie noch die Werner? Nicht die Flöteuse Ilse, die andere, die große, blonde Ballerina, die eines Tages in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft zu singen begann? Heute ist Margot Werners großer Tag: Im CCH ist die Premiere des Programms „Movie-Classics“ mit dem 93-köpfigen Bolshoi-Orchester gleichzeitig der Auftakt zur Tournee, die sie bis Mitte Februar durch zehn deutsche Städte führen wird. Seit acht Jahren ihre erste Gastspielreise – scheu ist sie in dieser Zeit nicht geworden. Hatte ja auch genug zu tun, hundert Bälle zu feiern pro Jahr.

„Jetzt mache ich noch mal einen Ausflug in die Tourneewelt, in die gehobene Glitzerwelt, möchte einfach mal wieder herzeigen, daß ich was kann“, erzählt Margot Werner, nicht versinkend im großen Ledersessel einer Hamburger Hotelbar. Sie ist 55 Jahre alt und gut geschminkt. Von einem blonden Haufen toupierten Seidenhaars gekrönt, ist sie zum Presse-Appell in einer adretten Operetten-Uniform erschienen, die mit blitzenden Pailletten-Ornamenten auf schwarzem Jackett an zaristische Folklore erinnert. „Ist doch schön,wenn die Jugend sagt, diese Werner ist ja nicht zum Unterkriegen. Wir haben nun die Gnade, daß die Frau ab 35 nicht mehr zur Matrone gestempelt wird“, strahlt sie. „Das Orchester war zuerst da, mit dem wollte der Wiener Dirigent und Komponist Roland Baumgartner was unternehmen“, und aus der Melange Bolshoi-Orchester, Margot Werner und 100. Geburtstag der UFA brauten sie die „Movie-Classics“ zusammen, deren erster Teil auch als CD erschienen ist. „Ich wollte die weichen, großen Liebeslieder aufnehmen“, gerät sie leicht ins Schwelgen. Aber in die großen Vorbilder hineinschlüpfen werde sie nicht: „Keine Imitation!“ Vergleiche scheut sie allerdings nicht in jedem Fall: „Also, die 'Lili Marleen' hat die Lale Andersen in der ersten Version ja nicht gesungen, sondern genölt“. Wichtig ist für sie: „Was möchte ich singen? Was kann ich, was paßt zu mir.“

Hörbar gefühlvoll atmet sie im Judy-Garland-Klassiker „Somewhere over the Rainbow“ mit. Es hat etwas, wenn sie – vom Orchesterklang umtost und mit leicht vergrippter Melancholie in der Stimme – die Motten besingt, die am Licht verbrennen, natürlich völlig anders als Marlene, ob in jungen oder späteren Tagen. Vom „Blauen Engel“ über „Send in the Clowns“ oder „La Paloma“ (mit neuem Text) bis zum Erfolgshit „I will always love you“ aus Whitney Houstons Leibwächterfilm – in den „Movie Classics“ steckt alles drin, was Kasse macht. Die Tournee ist schließlich eine aufwendige Produktion. Sie berge eben auch die „große Chance, Geld zu verlieren, aber ich frage im Moment überhaupt nicht nach Verkaufszahlen“. Sie hat ja auch starke Freunde dabei: Einen Stuttgarter Bonzenschleudern-Hersteller, ei-ne andere Firma, die solcherlei Fahrzeuge vermietet, eine internationale Hotelkette und den Bundesfinanzmini-ster, der das Vorwort zum Programmheft unterschrieb.

Im Gespräch sticht, wenn sie den Faden zu verlieren droht, der Charme ihrer Durchhaltementalität ins Auge, der ungemütlich wirkt auf Menschen, die dazu neigen, gelegentlich zusammenzubrechen. Sympatihsch allemal, daß sie Etikette gern mal Etikette sein läßt. Wird sie es heute abend Glanz und Gloria und CCH zum Trotz etwas menscheln lassen können? Zuzutrauen ist es ihr.

Margot Werner: 26. 1, CCH, 20 Uhr