Der ,Schmierer' muß büßen

■ Wegen „Beschmierens“ fremder Wände muß Gerold Janssen 1.000 Mark zahlen

Kichern? Oder heulen vor Wut? Umweltschützer Gerold Janssen konnte sich nicht recht entscheiden, als er jetzt einen Brief des Stadtamtes öffnete: 1.000 Mark Bußgeld soll er zahlen, weil er im letzten Sommer „Einrichtungen, die dem öffentlichen Nutzen dienen, unsachgemäß behandelt und unbefugt zweckentfremdend benutzt hat“. Er hat nämlich das Mäuerchen am Autobahnzubringer Horn-Lehe und die Straßen rund um den Fallturm mit Parolen verziert - oder „beschmiert“, wie das Stadtamt sagt. „Senat und Siemens Mordkomplott in Uni-Ost“ zum Beispiel steht da noch heute zu lesen.

„Das ist ein politisches Bußgeld“, schimpft Janssen, Normalsatz wären 100 Mark. Und überhaupt: Hundehäufchen auf den Wegen wären viel gefährlicher als seine Parolen, Hundebesitzer würden aber nicht mit Bußgeldern bedroht. Dann aber geht schon wieder die Amüsierlust mit ihm durch: „Ha, auf den Prozeß freue ich mich, das wird ein Riesenspaß. Ich werde dafür kämpfen, daß das Bußgeld so gering wie möglich ausfällt.“

Dabei ist Janssen noch gut davongekommen, findet jedenfalls Hans-Jörg Wilkens, Leiter des Stadtamtes. Ursprünglich nämlich lief gegen Janssen eine richtige Anzeige, schließlich eingestellt von der Staatsanwaltschaft. „Sowas ist Ermessensache“, sagt Wilkens. Eigentlich könne man ja schon von „Substanzverletzung“ an Mauer und Straße sprechen, immerhin sei die Farbe nur mit erheblichem Aufwand abzuschrubben.

Janssens Angelegenheit jedoch wurde zum „Bagatelltatbestand“ herabgestuft, allerdings mit der Höchstbuße nach der bremischen Straßenordnung belegt: 500 Mark für jedes der beiden Delikte. Höchste Buße, weil Janssen die Ordnungswidrigkeit vorsätzlich begangen und später auch zugegeben habe, begründet Wilkens. Mit „politischen Unterdrückungsabsichten“ aber habe diese Höchstbuße rein gar nichts zu tun. Allerdings könne nicht jeder seine Meinung auf die Straße pinseln. So sei nun mal die Rechtsordnung. Deswegen prüfe ja auch die Bauverwaltung, ob sie nicht einen Teil der Kosten für die Beseitigung der Parolen in der Innenstadt (blaues Band zwischen Rathaus und Siemens, Tiere vor Siemens) dem aufmüpfigen Janssen aufbrummen könnte. Die Putzaktion hatte 15.000 Mark gekostet.

All das schreckt Gerold Janssen nicht im mindesten. Im Gegenteil: Dringend möchte er die werte Öffentlichkeit von einem neuerlichen Skandal, ihm soeben zu Ohren gekommen, unterrichten: Der Senat zahle nämlich nicht nur vier Millionen für den „Mord an der Natur“ in Uni-Ost, wie bislang am Autobahnzubringer steht, sondern ganze zwölf Millionen. Zwölf Millionen Mark für „bodenverbessernde Maßnahmen“ und Ausgleichsmaßnahmen. Leider ist das Mäuerchen derzeit noch zu naß für die umweltschonende Wasserfarbe. cis