Wer exekutierte Avraham G.?

■ Berlins Topadresse für Antiquitäten und Ikonen aus Rußland wurde ausgelöscht - womöglich von einer "russischen Mafia" / Doch der Mord bleibt misteriös

Noch hat die Polizei keinerlei Hinweise über den oder die Killer, die Montag mittag Avraham G. In seiner Kunstgalerie am Kurfürstendamm 48 erschossen haben. Die 4. Mordkommission ermittelt, auch die Fachdienstgruppe Kunstgegenstände ist eingeschaltet. Denn Avraham G. galt weit über Berlin hinaus als Topadresse für diese Art von Preziosen. Der 1938 in Riga/Lettland geborene Avraham G. kam vor 20 Jahren als Emigrant in die Stadt und verdiente hier mit ihnen ein Vermögen. Unter 20.000 Mark geht eine Ikone aus dem 17. Jahrhundert nicht über den Tisch.

Noch konnte die Polizei aber nicht feststellen, ob am Montag tatsächlich auch Heiligenbilder, Schmuck oder andere Kunstgegenstände aus der Galerie gestohlen wurden. Die Umstände des Mordes, betonte gestern ein Polizeisprecher, erinnerten vielmehr an eine „Hinrichtung“. Avraham G. wurde in den Kopf geschossen, sein Sohn fand ihn tot um 12 Uhr 30. Es sei möglich, daß das Opfer den oder die Täter gekannt habe, meinte ein Mitarbeiter der Mordkommission. Denn die Galerie im ersten Stock war gut gesichert. Es befanden sich auch mehrere Kameras im Raum, aber sie dienten nicht dazu, Aufzeichnungen zu machen, sondern nur zur Beobachtung der Kunden.

Der Ikonenhandel in Berlin ist ein gefährliches Geschäft. Experten sagen, daß es so gut wie unmöglich sei, legal Kunstwerke aus Rußland zu importieren. Stücke aus dem 14. bis 18. Jahrhundert unterlägen seit fast 40 Jahren einem gesetzlichen Ausfuhrverbot. Es sei eine Tatsache, meinte der Restaurator, daß ein Hauptzweig der „russischen Mafia“ der Ikonenschmuggel sei. In einem Umkreis von 300 Meilen rund um Moskau gebe es nicht eine Kirche mehr, die in den letzten drei Jahren ungeplündert blieb.

Weil die Einfuhrwege dunkel sind, seien die Händler beliebtes Opfer von sogenannten Schutzgelderpressungen. Diese Angaben stehen im Widerspruch zu der polizeilichen Information, daß sehr wohl Ikonen legal eingeführt werden können, sofern ordnungsgemäß dafür Zoll bezahlt wird.

So wurde Anfang Dezember der in Deutschland eingebürgerte, aber in Rußland geborene Antiquitätenhändler Witali L. tot aufgefunden. Es wurde nichts gestohlen, obwohl die Wohnung mit Antiquitäten vollgestellt war. Wie im jüngsten Fall konstatierte Manfred Vogt von der Mordkommission eine „Hinrichtung“. Im Unterschied zu Avraham G. sei aber Witali L. in eine Reihe „dubioser Fälle“ verwickelt gewesen. Gegen ihn liefen mehre Ermittlungsverfahren, unter anderem auch wegen der illegalen Einfuhr von Ikonen. Der Tod verhinderte einen Prozeß. Er wäre auch der erste gewesen, der in Berlin gegen einen russischen Kunsthehler hätte geführt werden können.

Mit Kunsthandel hatte auch Konstantin K. zu tun. Den 30jährigen Russen, der bei der Westgruppe als Zivilangestellter gearbeitet hatte, fand die Polizei im Sommer 1990 in einem See bei Potsdam. Er war mit mehreren Messerstichen in die Brust gezielt getötet worden. Ermordet wurde im September 1991 auch Efim L. Er galt seit über 20 Jahren als Kopf der russischen Ikonenschmuggler in Berlin. Von sämtlichen Tätern fehlt bis heute jede Spur. Anita Kugler