Grüner Punkt ohne Öko-Verpackung

Kritik am Dualen System: Ernst Ulrich von Weizsäcker legt Vorsitz des Kuratoriums nieder / Physiker sieht keine Chance für Reform / Umweltschützer seien dialogunwillig  ■ Aus Bonn Hans Monath

In aller Öffentlichkeit ist das Duale System Deutschland (DSD) seiner letzten ökologischen Verpackung beraubt worden: Der Vorsitzende des DSD-Kuratoriums, der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker, legte gestern aus Protest gegen den nach seiner Ansicht zu wenig ökologisch orientierten Kurs des Unternehmens sein Amt nieder. Weizsäcker, der Leiter des „Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie“ ist, gab seine Entscheidung unmittelbar vor dem ersten Bundeskongreß des Dualen Systems zur Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen in Bonn bekannt, auf dem er ursprünglich die Eröffnungsrede halten sollte.

Die von ihm angestrebte Reform des DSD ist nach einer Erklärung Weizsäckers aussichtslos geworden. Schon vor einem Jahr habe er öffentlich erklärt, dem Kuratorium nur drei Sitzungen lang dienen zu wollen, wenn das DSD in dieser Periode keine wesentlichen Verbesserungen erreiche. Ein von ihm verantwortetes Grundsatzpapier zu einer ökologisch orientierten Reform des DSD und der Verpackungsverordnung habe in dem „einseitig zusammengesetzten Kuratorium so scharfe Reaktionen ausgelöst, daß ich es um des Friedens willen zurückziehen mußte“.

Weizsäcker kritisierte, die Arbeit im Kuratorium sei von Anfang an durch die „unzureichende Repräsentanz der Umwelt- und Verbraucherseite sowie durch das völlige Fehlen von Kommunal- und Frauenvertreterinnen und -vertretern erschwert“ worden. Der DSD-Geschäftsführung warf er „Kompromißlosigkeit“ vor, den Umweltverbänden „Dialogunwilligkeit“. Im Gegensatz zu vielen DSD-Kritikern glaubt der Insitutsleiter aber weiter an die Notwendigkeit des Grünen-Punkt-Systems. Erforderlich ist seiner Meinung nach die „volle Transparenz der Finanz- und Stoffflüsse des Systems“, um die notwendige Unterstützung und Mitarbeit der Verbraucherinnen und Verbraucher zu erhalten. Langfristig sei eine ökologische und wirtschaftliche Optimierung in der Abfallpolitik nur möglich, wenn Rohstoffe und Energie teurer würden.

Die Vertreter des Dualen Systems sowie Umweltminister Klaus Töpfer bedauerten den Rücktritt, wiesen aber die Vorwürfe Weizsäckers zurück. DSD- Geschäftsführer Wolfram Brück sieht in Weizsäckers Schritt die Konsequenz daraus, „daß Teile der Umwelt- und Verbrauchergruppen einen rationalen Dialog über die Verminderung von Verpackungsabfall verweigern“. Die Entwicklung sei zwar bedauerlich, ermögliche aber auch eine „personelle Neuausrichtung“ des Kuratoriums. Umwelt- und Verbraucherverbände erneuerten gestern ihre Kritik am DSD und an der Verpackungsverordnung. Christa Reetz vom Bundesverband Bürgerinitiative Umweltschutz (BBU) sagte, es sei den Bürgern nicht vermittelbar, wenn sie Abfälle in gelben Säcken sammeln sollten, die anschließend in Verbrennungsanlagen landeten.

Der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Müller, schlug vor, den Weizsäcker- Rücktritt zum Anlaß zu nehmen, mit allen Beteiligten über die Zukunft des Grünen Punkts zu reden. Das Duale System sei „letztlich ein reines Prestigeprojekt des Bundesumweltministers“.

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