Union auf der Suche nach einer Wahlkampfstrategie

■ Beim Münchener Spitzentreffen versuchten CDU und CSU, ihre strategischen Unsicherheiten durch demonstrative Harmonie zu kompensieren. Ob's hilft?

Berlin (taz) – In demonstrativer Harmonie ist am Montag abend das erste gemeinsame Strategietreffen von CDU und CSU zum bevorstehenden Wahlkampf zu Ende gegangen. Nach den jüngsten Kontroversen um die künftige Europapolitik, das Procedere bei der Nominierung des gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten sowie dem angedrohten Ausstieg der CSU aus der Bonner Fraktionsgemeinschaft im Falle einer Großen Koalition, darf schon das Münchener Minimalergebnis als kleiner Erfolg verkauft werden. So geschah es: Helmut Kohl beteuerte, man wolle „den Wahlmarathon gemeinsam bestreiten“, CSU-Chef Theo Waigel lobte den „demonstrativen Schulterschluß“ und kreierte seinerseits eine Maxime fürs Wahljahr: „Harmonie innerhalb der Union, Streit gegen die anderen.“

Auf welchen Feldern der Streit ausgetragen werden soll, ist ebenso aufschlußreich wie die in München markierten Gegner. Denn neben dem „Hauptgegner“ SPD scheint mit Rot-Grün schon das eigentliche Wahlkampfthema Gestalt anzunehmen.

Die Standortoffensive Helmut Kohls jedenfalls, mit der dieser noch im vergangenen Herbst glaubte, die ökonomische Niedergangsstimmung in einen konservativen Aufbruch verwandeln zu können, ist bislang in gutgemeint- propagandistischen Anfängen steckengeblieben. Rudolf Scharping und seine neu formierte SPD sind gerade dabei, die traditionelle Dominanz der Union auf den Feldern Wirtschaft und Finanzen zu brechen.

Deshalb macht es aus Sicht einer wahlverängstigten Union durchaus Sinn, daß man in München die Wirtschaftspolitik um die Themen „innere und äußere Sicherheit“ ergänzt hat. Eine von Wahlgang zu Wahlgang gebeutelte Union könnte verführt sein, ganz auf die Bedrohungsängste und Sicherheitsbedürfnisse der BürgerInnen zu setzen und – da sich die Scharping-SPD kaum zum Bürger- Alptraum stilisieren läßt – die rot- grüne Konstellation als demokratiegefährdendes Bündnis auszumalen. „Wir oder Weimar“ lautete am Rande der Münchener Tagung die hierfür passende Parole, die von den Parteivorsitzenden Waigel und Kohl öffentlich jedoch nicht aufgegriffen wurde.

Noch hat sich die Union, so scheint es, nicht auf einen konsequenten „Alles-oder-nichts-Wahlkampf festgelegt. Hierzu paßt auch das Waigelsche Bekenntnis, man wolle die „Angst vor Überfremdung nicht zu einem klassischen Wahlkampfthema machen“. Waigels Konkurrent Edmund Stoiber erklärte dennoch „die Verdrossenen, die Nichtwähler und die potentiellen Protestwähler“ zu „Hauptansprechpartnern“ in den kommenden Wahlkämpfen. Die strategischen Unsicherheiten der Union brachte dann der Kanzler auf den Punkt: Eine von Teilen der CSU geforderte Orientierung auf die Wähler „rechts von der Mitte“ sei eine „ziemlich akademische Diskussion“. Die Mehrheiten in Deutschland lägen sowohl rechts als auch links.

Auch in der Frage der künftigen Europapolitik wurde die jüngste Kontroverse eher zugedeckt als gelöst. Während von CSU-Teilnehmern ein „ja, aber“ zu Europa propagiert wurde, dementierte der von Stoiber Ende letzten Jahres als „Illusionist“ bezeichnete Kanzler: Von ihm sei auch in Zukunft „kein aber“ zu erwarten. Diesmal übernahm Theo Waigel die europapolitische Lockerungsübung: „Bayerische und deutsche Interessen“ sollten „stärker herausgestellt“ werden. Stoiber betonte, er bleibe bei seiner Kritik.

Eher desorientiert präsentierten sich die führenden Unionspolitiker auch beim Thema FDP. Kohls Bekenntnis zur Fortführung der liberalkonservativen Koalition wurde mit der Ankündigung ausbalanciert, diesmal müsse „jeder für sich um jede Stimme kämpfen.“ Die FDP hatte auf ihrem Dreikönigstreffen keine Aussage für die Fortführung der Koalition getroffen.

Von seiten der CSU, die für eine stärkere Abgrenzung von der FDP plädiert, wurde in München neuerlich das Einlenken der Liberalen beim Großen Lauschangriff und in der Frage der Weizsäcker-Nachfolge eingefordert.

Sichtlich genervt zeigte sich die Union von den jüngsten konservativen und rechtspopulistischen Parteigründungen. CSU-Generalsekretär Erwin Huber kündigte an, die CSU werde sowohl die am Wochenende als bundesweite Organisation gegründete Statt Partei wie den „Bund freier Bürger“ des Ex- Liberalen Manfred Brunner „konsequent bekämpfen“. Die neuen Parteien bezeichnete Huber als „Gefahr“ für die Demokratie. eis