Oft Gift über Bord Bordtäglich!

■ Umweltschützer kritisieren Gift-Transporte

Daß Giftstoffe ins Meer gelangen ist kein Unfall sondern tägliche Praxis. Mit dieser Information meldete sich gestern der Bremer IG-Metall-Arbeitskreis „Andere nützliche Produkte“ in der Diskussion über die angeschwemmten Giftsäckchen zu Wort. Der Vorwurf: Die Seevorschriften provozieren solche Unfälle wie der vor der bretonischen Küste. Gefährliche Güter müßten danach so gestaut werden, daß sie bei Gefahr für das Schiff schnell über Bord geworfen werden können. Der Arbeitskreis fordert nun das Transportverbot für todbringende Güter auf See, für gefährliche Güter schlägt er eine Katalog von Vorschriften vor. Unterstützt werden die Gewerkschafter dabei von Umweltsenator Fücks, der die Voschläge bei der nächsten Umweltministerkonferenz der nördlichen Bundesländer zum Thema machen will.

Daß ein Container mit Gefahrgut über Bord geht, das ist nach den Transportvorschriften sogar gewollt, sagt Peter Ulrich vom Arbeitskreis. Der Grund: Im Brandfall oder wenn das Schiff wegen zu schwerer Ladung insgesamt in Gefahr gerät, muß es die Container schnell loswerden können. Schiff gerettet – Meer verseucht. Ulrich: „Die Pestizide werden immer in die oberste Lage gepackt.“ Bei Kühlschiffen, die die sogenannten „organischen Peroxide“ transportierten, verlangt die Vorschrift sogar eine automatische Abwurfvorrichtung für ganze Container, in der Fachsprache „Seewurfanlage“. Wenn die Ladung wärmer als 5 Grad minus wird, kann der Stoff explodieren. Ulrich: „Also wird der Container lieber über Bord gekippt.“ Bei den Kühlschiffen geht das ganz vollautomatisch von der Brücke aus.

Die Metaller fordern nun eine ganze Reihe neuer Vorschriften für den Gefahrguttransport: Sie wollen, daß solche Güter in Zukunft nur noch in seewasserfesten, schwimmfähigen Containern verschifft werden dürfen, die mit einer Ortungsanlage ausgestattet sein sollten. Die, so Ulrich, kosteteten zwar das Zehnfache eines normalen Containers, aber die Giftfunde vor der Nordseeküste zeigten, wie dringlich das Problem sei. Außerdem sollten nach Vorstellung dfer Umweltschützer Gefahrgüter nur noch auf vorgeschriebenen Routen transportiert werden. Und natürlich sollte der legale „Abwurf“ von Containern aus den Vorschriften gestrichen werden.

Unterdessen geht das Gerangel um die Kosten der Aufräumungsarbeiten im Zusammenhang mit den Giftfunden weiter. Der Schweizer Konzern Ciba-Geigy erklärte sich gestern zwar bereit, die Kosten zu übernehmen, aber nur dann, wenn nicht andere dafür verpflichtet werden könnten. Schließlich sei das Unternehmen nicht Verursacher der Schäden, sagte ein Firmensprecher.

Mit dem ablaufenden Hochwasser sind am Mittwoch weitere 80 Beutel auf Juist, sechs auf Norderney, auf Baltrum fünf und ein Beutel mit Gift auf Wangerooge eingesammelt worden. Damit erhöhte sich die Zahl der Giftpäckchen an Deutschlands Küste seit Montag auf insgesamt 229. dpa/J.G.