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: They blinded us with science!

„Alarm! – Angst auf der Straße“, Dienstag, 21.10 Uhr, Sat.1

Sat.1 schlägt „Alarm!“. Alle sieben Minuten geschieht in Deutschland ein Verbrechen. Eins davon ist zweifellos das neue Kriminalmagazin des Mainzer Kommerzsenders. Was Ulrich Meyer & Co. sich diesmal ausgedacht haben, ist nicht einmal mehr Reality-TV, sondern Realsatire.

Todesmutig beginnen zwei „Alarm“-Mitarbeiter auf offener Straße eine Schlägerei. Und es geschieht, was geschehen muß: Niemand greift ein. Das liegt am „Bystander-Effekt“, erklärt der Fachmann Winfried Roll von der Berliner Kriminalpolizei. Jeder verläßt sich auf den anderen. Wir befinden uns jetzt zu Analysezwecken vor einem Monitor und betrachten noch einmal die schreckliche Szene. Wissenschaftlich.

Man müsse, so der Kriminalist, Passanten direkt ansprechen: „Sie mit der Lederjacke, helfen Sie — ,Alarm‘!“ Und wirklich! In der Wiederholung fruchtet das Konzept. Eine junge Frau animiert Passanten, die die Prügelnden trennen: eine gelungene Inszenierung. Wie von George Tabori.

Man wolle, so Ulrich „Einspruch!“ Meyer, den Leuten die Angst nehmen. Zum Beispiel dadurch, daß man ihnen zeigt, welch verheerende Wirkung Baseballschläger, Aschenbecher oder Bierflaschen auf Schädeln hinterlassen. Wissenschaftlich – mit Dummies aus dem Crashtest-Labor. Der neue Dreh, das neue Image: Hol einen Katastrophendoktor vor die Kamera, und das Ganze wirkt seriös. Ein Gang durch die Gerichtsmedizin beweist: Gewalt ist schlecht. Weil sie tödlich ist. In Zeitlupe bersten die Puppenköpfe. Und ich stelle mir vor, wie schön das wäre, wenn Ulrich Meyer dort säße. Aber der ist ja nicht totzukriegen, denn er verbirgt – wie Arnold Schwarzenegger im „Terminator“ – unter seiner menschlichen Haut ein Metallskelett. Ein journalistischer Dummy: ein Cyborg. Die „analytische“ Bestimmung, wie verletzbar der Schädel ist, ist etwa so wertvoll wie Norbert Blüms Feststellung, in Chile wäre eine Person gefoltert worden. Sat.1 fordert: Alle Aschenbecher sofort verhaften! And now to something completely different. Manfred Riepe