Scientologen in Hollywood auf dem Vormarsch

■ Auch in den Hollywood-Studios gewinnt Scientology zunehmend an Einfluß / Der Psychokult garantiert Erfolg, eine Lobby und regelmäßige Seelenmassage

Berlin (taz) – „Nachdem ich das erste Mal ,Auditing‘ gemacht hatte“, schwärmt Hollywood- Aktrice Anne Archer, „bekam ich meine erste große Rolle. Danach nahm ich noch einen Kurs, kriegte noch einen weiteren Film. Und nach einer weiteren Sitzung kam die Rolle in ,Eine verhängnisvolle Affäre‘.“ Tom Cruise, Sharon Stone, Priscilla Presley, Shirley MacLaine, Kirstie Alley, John Travolta, Brad Pitt („Thelma and Louise“) und Linda Blair („Der Exorzist“) – die Liste der Sektenanhänger in Hollywood ist lang und schillernd. Im Kassenschlager „Guck mal, wer da spricht“ spielte gar eine ganze Seilschaft von Scientology-Adepten; Amy Heckerling, die Regisseurin des Streifens, ist auch in der Sekte.

Der inzuchtartige Betten- und Partnerwechsel im Umkreis der Filmstudios läßt offenbar immer mehr Schauspieler in den Bann des Psychokultes geraten. Der garantiert ihnen Erfolg, eine Lobby für die Karriere und regelmäßige Seelenmassage. Die Leinwandgrößen wiederum bringen neben dicken Bankkonten ein unbezahlbares Kapital mit: ihren Bekanntheitsgrad. Sympathische Stars verbindet schließlich niemand mit Gehirnwäsche. Im Gegenteil: Der Werbeeffekt ist ungeheuer.

Die Plackerei und der Psychostreß der gewöhnlichen Scientology-Sklaven bleibt den Promis erspart. In Celebrity Centers (Berühmtheitszentren), die ausschließlich den Sekten-VIPs offenstehen, werden sie umhegt und gepflegt. Dreh- und Angelpunkt ist Hollywood. Das Celebrity Center in der Franklin Avenue ist ein schloßähnliches Multimillionenobjekt mit luxuriösen Suiten und einem Toprestaurant. Man trifft sich dort, wird gesehen, bekommt Kontakte. Und die Künstler revanchieren sich gerne für die Protektion. Kirstie Alley etwa ist laut Berichten in der amerikanischen Presse Sprecherin der Scientology- Tarnorganisation Narconon International, aus dem Einspielergebnis von „Guck mal, wer da spricht“ flossen 100.000 Dollar als Spende an Narconon. Tom Cruise zeigte sich mit dem Sekten-Boß David Miscavige („mein Freund“) auf Galadiners und bei der Oscar-Verleihung 1992.

Nach Angaben der US-Zeitschriften L.A. Magazine und Premiere achtet Cruise besonders darauf, daß auf seinen Sets Scientologen und Scientology-Firmen beschäftigt werden. Auch in seinem Erfolgsfilm „Die Firma“ tauchte – für Normalos nicht erkennbar – Scientology-Vokabular auf. Der Schauspieler hat sich mittlerweile zum prominentesten Werbeträger der Sekte gemausert. Wie Premiere im September 1993 berichtete, flog er mit dem Produzenten Brain Gazer und dem Drehbuchautor Bob Dolman mal eben per Hubschrauber zu einem Treffen mit Miscavige nach „Gilman Hotsprings“, einer streng abgeschirmten Scientology-Ranch an der kalifornischen Küste.

Aggressiv werden Stars wie Emilio Estevez belagert, die auf einer internen Rekrutierungsliste stehen. Nach Recherchen von Premiere erhalten die Sektenwerber hohe Prämien für jeden eingefangenen Mimen oder Regisseur. Die wichtigste Rolle spielen dabei weibliche Lockvögel: Tom Cruise wurde Mitglied, nachdem er die Scientologin Mimi Rogers geheiratet hatte. Ein anderer Weg ins Celebrity Center führt offenbar über eine bekannte Schauspielschule in L.A., die von einem Scientologen geleitet wird.

Wer jedoch in Hollywood gegen die Sekte aufmuckt, muß damit rechnen, durch Detektive bespitzelt und mit nächtlichen Telefonanrufen genervt zu werden. Sogar Klatschreporter wagen mittlerweile nicht mehr, über die Scientology-Connection kritisch zu berichten. Mit Drohungen und Psychoterror wurde sogar erreicht, daß ein harmloser Witz über Scientology aus dem Film „Delirious“ (1990) wieder rausgeschnitten wurde. Richard Donner, der Produzent des Streifens, berichtete in Premiere über anonyme Anrufe und einen mysteriösen Einbruch: „Nichts war gestohlen, aber alles von oben nach unten gekehrt. Als ob man sagen wollte: Wir können jederzeit in dein Haus kommen.“

Nicht nur Schauspieler, auch bekannte Künstler wie der Pianist Chick Corea, der Sänger Al Jarreau oder die Sopranistin Julia Migenes sind bekennende Scientologen. In Deutschland gehören bisher dagegen eher Darsteller aus der dritten Reihe zum Sektenkonzern – Leute wie Pablo Röhrig (ein Kitschmaler) oder Alex Kozulin (ein Piano-Entertainer). Ausnahme ist der Maler Gottfried Helnwein, der gerade einen größeren Posten Bilder an das Museum Ludwig in Köln verkaufen konnte. Interne Broschüren führten ihn als Großspender (40.000 DM) für die scientologische „Kriegskasse“ und als „Klasse-IV-Auditor“ auf, was im Sektenjargon „Geistlicher“ bedeuten soll. Helnwein streitet in der Öffentlichkeit jedoch vehement ab, ein Scientology-Mann zu sein, und erklärt: „Das ist falsch, die dürfen das nicht behaupten.“ Liane v. Billerbeck/

Frank Nordhaussen