: Coca-Cola und VW für Indien
Ausländische Firmen dürfen ihren Kapitalanteil auf 75 Prozent erhöhen / Politische Elite sieht sich zu weiterer Liberalisierung gezwungen ■ Aus Bombay Bernard Imhasly
Die kürzlich veröffentlichte Erklärung der indischen Regierung klang lapidar: Die Fremdinvestorenabteilung wurde überarbeitet. Der maximale Kapitalanteil, den ausländische Firmen in indischen Gesellschaften erwerben können, wurde von 51 auf 75 Prozent erhöht. Die politische und bürokratische Elite in Indien fährt damit weiter auf einem Liberalisierungskurs für die heimische Wirtschaft – auch wenn sie ihn als notwendiges Übel deklariert.
Die wirtschaftliche Entwicklung Indiens hat inzwischen eine Eigendynamik entwickelt, die die Entscheidungsträger immer öfter in Zugzwang versetzt. Und inzwischen nehmen nicht nur ausländische Investment-Fonds, sondern auch die internationale Industrie zur Kenntnis, daß die Befreiung von staatlichen Kontrollen nach mehreren Fehlstarts im letzten Jahrzehnt diesmal doch Bestand haben könnte.
Nirgends ist diese Entwicklung so deutlich wie bei der Frage der Zulassung bekannter Konsummarken. Und keine Marke scheidet, hier wie anderswo, die Geister mehr als Coca-Cola. Über Jahre hatte das Publikum mit heimlichem Stolz den Krieg mitverfolgt, den die einheimische Cola-Marke Thums up der Firma Parle der amerikanischen Pepsico lieferte, als diese hier ihr Getränk herstellen wollte. Parle zog schließlich den Kürzeren, konnte dabei aber einen erheblichen Marketing-Bonus für sein Eigengebräu herausschlagen.
Vor einigen Monaten schockierte nun dieselbe Firma ihre Getreuen mit der Mitteilung, daß sie mit der Coca-Cola-Company inzwischen eine „strategische Allianz“ vereinbart habe. Im Klartext heißt das: Sie wurde vom Giganten aus Atlanta kurzerhand geschluckt.
Darauf stieg ein weiterer Drachentöter, der Gewerkschaftspolitiker George Fernandes, auf die Barrikaden. Er klagte die nationale Schande an, daß ein amerikanischer Konzern sich in Indien ansiedle, und für den Sirup, den er dem indischen Wasser und indischen Zucker beimische, noch Dividenden abführen dürfe. Fernandes kündigte eine nationale Kampagne an, in der Hoffnung auf eine Wiederholung von 1977, als es ihm als Industrieminister tatsächlich gelungen war, Coca-Cola aus dem Land zu treiben, weil sie sich geweigert hatte, ihm ihre Zauberformel preiszugeben.
Fernandes mußte seinen Kreuzzug jedoch kurz darauf wieder einstellen. Und selbst in der nationalistischen Bharatiya Janata-Partei (BJP) mehren sich die warnenden Stimmen, nicht in jeder amerikanischen Getränke- oder Fastfood- Marke eine moderne Version der kolonialen East India Company zu sehen. Es ist wenig wahrscheinlich, daß sich die Ereignisse von 1977 heute wiederholen.
Nach einer zögernden ersten Reaktion ausländischer Investoren hat die Zahl genehmigter Joint- ventures im letzten Jahr rasch zugenommen. Zuerst waren es die im Land tätigen multinationalen Konkurrenten, die ihre Anteile in den bestehenden Joint-ventures weiter ausbauten.
Innerhalb von zwei Jahren haben nicht weniger als 151 lokal präsente Multis ihre Kapitalanteile zum Teil im großen Stil erhöht. Zu ihnen gehören Vertreter aus allen Sektoren mit bekannten Namen wie zum Beispiel ABB, BASF, Bata, Colgate, Hoechst, Honda, Kodak, Motorola, Pepsico, Philips und Suzuki. Immer mehr Firmen haben nun ihren Markteintritt angekündigt, die Indien bisher aus dem Weg gingen. Insgesamt wurden bis heute 580 Joint-venture-Projekte genehmigt, mit einem Investitionsvolumen von 3,3 Milliarden Dollar. Erfahrungsgemäß wird sich lediglich ein Teil davon realisieren lassen, und der entsprechende Kapitalfluß wird sich über Jahre hinziehen. Dies gilt vor allem für jenes Drittel an Investitionsprojekten, die in Basisindustrien wie Ölförderung und -verarbeitung sowie Energieerzeugung und -verteilung angesiedelt sind.
Beinahe die Hälfte der in Joint- ventures engagierten Firmen kommt aus den USA; weit dahinter, aber dennoch auf dem erstaunlichen zweiten Platz, rangiert die Schweiz mit 13,5 Prozent der Genehmigungen, gefolgt von Japan (8,5) und Großbritannien (6,4).
Deutschland steht auf Rang sechs – wohl vor allem eine Folge der eigenen Probleme mit der Integration Ostdeutschlands. Außerdem ist die Bundesrepublik schon traditionell mit vielen Waren auf dem indischen Markt präsent.
Trotzdem gibt es auch hier Neuinteressenten: Die großen deutschen Automobilwerke Daimler, BMW und Volkswagen wollen demnächst auch in Indien produzieren. Und auch ansonsten sieht die internationale Automobilindustrie jetzt erstmals gute Chancen, in Indien profitabel Autos herzustellen. Deshalb haben neben den großen japanischen und europäischen Konzernen auch GM, Chrysler sowie Ford ihre Fühler ausgestreckt.
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