Anhörung zur Psyche der Ausländer

■ Bestandsaufnahme der Psychosozialen Dienste in Frankfurt Beratung im muttersprachlichen Bereich unzureichend

Frankfurt am Main (taz) – Wenn marrokanische Mädchen an auf den ersten Blick unerklärlichen Lähmungserscheinungen und Ohnmachtsanfällen leiden, dann kann das, so der Kinder- und Jugendpsychiater Khalil, psychische Ursachen haben. Er referierte gestern im Frankfurter Römer über die Zunahme psychosomatischer Störungen bei BürgerInnen mit ausländischem Paß und ihren Kindern. Im „Europa der zerrissenen Familien“ seien Trennung und Ambivalenz vor allem dem Vater gegenüber von Jugendlichen oft schwer zu verkraften.

Ein Sozialarbeiter, der behinderte Kinder betreut, gab seine Ratlosigkeit zu: „Wie hilft man einem stotternden äthiopischen Kind? Ich weiß es nicht.“

Zu der „Anhörung zur psychosozialen Versorgung von Migrantinnen und Migranten“ waren rund 30 Initiativen und Sozialdienste gekommen. Frauen- und Gesundheitsdezernentin Margarethe Nimsch nannte als krankmachenden Faktor vor allem „das Umfeld“.

Einwanderer seien „keine vorab zu betreuende Gruppe“, aber oft mit „allzu schwammigen Erwartungen und Projektionen“, „Mißachtung ihrer Bedürfnisse, wenn nicht gar offener Feindseligkeit und Gewalt“ konfrontiert.

Die Leiterin des Amtes für Multikulturelle Angelegenheiten, Rosi Wolf-Almanasreh, sah die Veranstaltung als Bestandsaufnahme und Chance zur „interdisziplinären Vernetzung und neuen Arbeitsformen“.

Daß Ratlosigkeit und Unkenntnis groß sind, bestätigte ein Journalist auf der Pressekonferenz. Seine Redaktion habe einfach nicht gewußt, wohin sie einen türkischen Mann schicken solle, der in ihren Räumen mit Selbstmord drohte. Sie habe sich nach vergeblicher Hilfesuche an den Notarzt gewandt. Dem soll, so ein Vertreter des Sozialdezernats, demnächst ein eigener „Krisendienst“ abhelfen.

Der Bedarf an gemeinsamer Diskussion und Vernetzung hatte den Saal im Römer bis zum Mittag bis auf den letzten Platz gefüllt. Die von den VeranstalterInnen in Zeiten der oft zitierten leeren Kassen erwartete „Klagemauer“ der im sozialen Bereich arbeitenden Frauen und Männer blieb allerdings weitgehend aus.

Die TeilnehmerInnen forderten aber – fast unisono – mehr Arbeitsplätze für die Beratung im muttersprachlichen Bereich. Dazu müßten mehrsprachige MitarbeiterInnen aus den verschiedenen Kulturkreisen an Universitäten und Fachhochschulen ausgebildet werden. Den Ist-Zustand bemängelte eine türkische Sozialarbeiterin, die in Frankfurt bisher weder einen Arbeitsplatz noch einen zweisprachigen Kindergarten für ihr Kind gefunden hat: „In den Köpfen hat sich nichts geändert.“

Heide Platen