: „Nichts ist schöner als Reibung“
■ Zweiter Teil des Interviews mit Res Bosshart, zukünftiger Kampnagelleiter Von Till Briegleb
taz: Fürchten Sie schon den Moment, wo Sie eine Halle buchen müssen, nur damit kein Loch im Spielplan entsteht?
Res Bosshart: Man hat mich immer vor dem Moloch Kampnagel gewarnt, aber das ist es für mich nicht. Man darf eben nicht darauf aus sein, Kampnagel zu beherrschen. Man muß lernen, die Reibungen, die das Geländes provoziert, positiv zu nutzen.
Spätestens ab 95 wird Sie der Sparzwang das Fürchten lehren.
Natürlich befürchte ich das, aber ich möchte darüber erst nachdenken, wenn es soweit ist. Bis heute habe ich von Christina Weiss den Eindruck, daß sie, solange es geht, an Kampnagel nicht spart.
Sie möchten eine Denkfabrik auf Kampnagel initiieren. Was ist darunter zu verstehen?
Weil es mir darum geht, sich ein wenig gegen den Terror der Intimität zu wehren, versuche ich eine neue Öffentlichkeit herzustellen. Ich möchte eine Gruppe Natur- und Geisteswissenschaftler, Künstler und andere Spezialisten versammeln, die ungewohnte Theorien haben und die sich im Monat einmal zusammensetzen, um über Kunst und Wissenschaft zu diskutieren.
Als eine Art Meta-Dramaturgie?
Aus dieser Gruppe können natürlich auch Themen für Kampnagel entstehen, aber eigentlich soll es davon gelöst sein. Michael Batz wird das betreuen. Ich habe auch schon mit einigen anderen Häusern in Europa darüber gesprochen, daß überall solche Gruppen gebildet werden, um im Bereich eines Überthemas von Kultur und Anthropologie gemeinsam eine Publikation herauszubringen.
Ich habe von Ihnen bis jetzt eine klare Stellungnahme zum Jugendtheater auf Kampnagel (JAK) vermißt. Jürgen Zielinski hat jetzt zwei Jahre hervorragende Arbeit geleistet, trotzdem hat man das Gefühl, als ob Sie das JAK nicht wollen.
Ersteinmal möchte ich klarstellen, daß ich mich keineswegs geweigert habe, mit Jürgen Zielinski zu sprechen, wie man dort behauptet. Das ist eine böswillige Unterstellung. Ich gehe davon aus, daß Zielinski ein Haus und 1.9 Millionen will und wenn möglich nicht mehr auf Kampnagel. Das heißt ganz klar, Zielinski will Intendant sein, und diese Struktur hat nichts mit Kampnagel zu tun. Das JAK ist ein Jahresbetrieb, ein Ensemble, das viele Kräfte bindet, und das ist gerade das, was man auf Kampnagel nicht will. Man will hier eine andere Produktionsform erforschen.
Wenn sich nun das JAK und die Kulturbehörde nicht einigen können und Zielinski tatsächlich geht, bleibt deren Etat wohl ersteinmal auf Kampnagel. Gibt es von Ihrer Seite konkrete Überlegungen, wie damit ein Kinder- und Jugendtheater fortgeführt wird?
Es ist ganz klar, daß es Kinder- und Jugendtheater in Hamburg geben muß, auch auf Kampnagel. Mein Ziel wäre es in diesem Falle, daß Kinder- und Jugendtheater in der Weise produziert wird, wie es im Erwachsenentheater auf Kampnagel geschieht: eine Durchmischung von Produktionen und Gastspielen.
Aber ohne Ensemble und festen Ort?
Es gibt ja eine Art Ensemble von Schauspielern auf Kampnagel, nur sind sie nicht fest gebunden und werden auch nicht übers ganze Jahr bezahlt. So würde ich mir das auch im Jugendtheater vorstellen.
Sind ihre Ideen mit dem kümmerlichen Kampnagel-Etat eigentlich zu finanzieren?
Wir sind jetzt noch stark am phantasieren und am Ideen entwickeln, aber die nächsten zwei Monate werden da schon wieder einiges zusammenstreichen.
Halten Sie es für realistisch, daß Kampnagel Sponsoren im relevanten Umfang gewinnt?
Ja. Das ist natürlich ein Vabanque-Spiel. Man muß sich immer bewußt sein, was man bieten kann, für die Präsenz eines Sponsoren. Das ist sehr heikel, aber gleichzeitig darf man nicht zu ängstlich sein.
Was muß an der Infrastruktur verändert werden?
Es muß mehr Proberäume geben. Und ich möchte nicht, daß Kampnagel noch mehr eine Containerburg wird. Ich fänd es auch gut, wenn man mal ohne Gummistiefel über den Parkplatz gehen kann. Und man muß unbedingt ein gewisses „Facelifting“ betreiben. Das kostet natürlich alles viel Geld und es macht wenig Sinn dafür zu investieren, wenn man nicht weiß, was mit der Randbebauung passiert.
Haben Sie das Gefühl, daß Sie einen tiefergehenden Einfluß auf die anstehende Randbebauung von Kampnagel haben werden?
Diesen Einfluß wird man uns nicht schenken. Aber ich hoffe, daß Hamburg nicht - wie hundert andere Städte vorher - den gleichen Fehler macht und Projekte plant, ohne die Benutzer zu fragen.
Wie definieren Sie Ihr Verhältnis zu den anderen Kampnagelnutzern wie Sommertheater, Hammoniale, Alabama, K3, KX usw.?
Mir geht es darum, daß man in einer Behauptung von einer gemeinsamen Ästhetik das optimalste herausholt. Es muß nicht unbedingt alles übereinstimmen: Nichts ist schöner, als wenn es eine Reibung gäbe. Man muß nur versuchen, Kampnagel als eine Art Einheit darzustellen.
Wenn Sie in Bezug auf Kampnagel drei Wünsche frei hätten, was wären diese?
Keine Bebauung. Mehr Geld.
Nämlich? Wieviel?
Mit zehn Millionen könnte man schon einiges mehr machen.
Und der dritte Wunsch?
Einfach spannendes Theater.
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