Schutzbedürftige „Erpresser“

■ Waren die Angeklagten Opfer falscher Beschuldigungen?

Die Schutzgelderpresser erwiesen sich vor Gericht als eingeschüchterte Jugendliche. Die beiden 25jährigen waren angeklagt, einen Aktienhändler unter Druck gesetzt und von ihm 10.000 Mark erhalten zu haben. Gestern wurden sie freigesprochen, weil die Aussage des angeblichen Opfers immer unglaubwürdiger wurde.

„Wir beide haben uns nur als Bodyguards angeboten“, sagten die Angeklagten Sven S. und Cahit A., die bereits 72 Tage in Untersuchungshaft saßen. Richter Tempke blickte erstaunt auf die Anklagebank herunter: „Ein Arbeitsloser und ein Kioskbesitzer sind vielleicht nicht die richtigen Bodyguards.“ Doch daß sie ihrem Bekannten Thomas T. mit Gewalt gedroht haben sollen, falls er nicht für seinen „Schutz“ zahle, glaubt er nicht. Der Aktienhändler, als Zeuge geladen, verstrickte sich in Widersprüche und hatte erstaunliche Gedächtnislücken. So fragte ihn Richter Tempke schließlich unverblümt: „Macht man sich durch solche Geschichten in ihrer Branche interessant?“ Thomas T. mußte sich daraufhin mit seinem Rechtsbeistand beraten.

Zu seiner weiteren Vernehmung kam es aber nicht mehr. Alle waren sich einig: Auf der Anklagebank saßen keinesfalls gefährliche Erpresser. Freispruch. Freudentränen bei den Jugendlichen und ihren Angehörigen. Thomas T. hatte das Gericht schnell verlassen.

Torsten Schubert