Alles in den Fingern

■ Der Bremer Pianist und Geheimtip Michael Berger über Zeit, Geld und Spielkasinos / Heute abend im Kito

Einer der rührigsten und begabtesten Musiker der Bremer Jazzscene ist und bleibt ein wohlgehüteter Geheimtip unter Kennern und Kollegen. Fast alle, die ihn gehört oder mit ihm gespielt haben, loben Berger als einen Pianisten, der den internationalen Vergleich nicht zu scheunen braucht, aber obwohl er an mehreren sehr unterschiedlichen Projekten arbeitet, hört man ihn immer noch viel zu selten.

Was mich an Ihrer Musik am meisten fasziniert, ist ihre immense Bandbreite. In wieviel verschiedenen Formationen arbeiten sie eigentlich zur Zeit?

Ich trete relativ regelmäßig mit der Rockformation „Babbitts“, dem Quintett von Uli Beckerhoff und mit der Sängerin Christine Müller auf. Und der extremste Kontrast meiner Musik liegt wohl zwischen der Liedbegleitung in diesem Duo (wobei ich die Schwierigkeit meistern muß, auch auf den vielen schlechten Pianos die mir auf den Touren unterkommen, leise zu spielen) und einer Freejazzproduktion mit komponiertem Material, die ich im letzten Jahr für Radio Bremen gemacht habe.

Jetzt spielen Sie Solopiano. Wird das anders klingen als bei den sporadischen Auftritten etwa bei Dacapo oder im letzten Juli im KITO?

Ich habe mir jetzt ein Jahr lang intensiv ein Soloprogramm erarbeitet. Während ich alleine am Flügel bisher nur Kurzauftritte absolvierte und dabei neben freien Improvisationen auch Stücke von Keith Jarrett oder Carla Bley spielte, entwickle ich jetzt langsam ein abendfüllendes Programm, das nur aus Eigenkompositionen besteht. Und so paßt es mir ganz gut, daß ich mir den Abend im KITO mit dem klassischen Pianisten Herbert Henk teile und einen Set spiele, der etwa eine Stunde dauert.

Woher kommt Ihre Vorliebe dafür, das Piano nicht nur auf den Tasten zu spielen, sondern auch in die Saiten zu greifen?

Dadurch läßt sich das Spektrum des Instruments noch wunderbar vergrößern. Man kann viele verschiedene Sounds erzeugen, indem man ohne die Tasten oder auch kombiniert mit einer Hand auf den Tasten und der anderen in den Saiten spielt. So kann man auf dem Piano Flageolett spielen oder auf den Baßsaiten gongähnliche Klänge erzeugen. Aber beim Konzert nehme ich mir nie vor so zu spielen, das kommt dann aus der Intuition.

Wie lebt es sich so als Bremer Bohemien und ewiger Geheimtip?

Das klingt mir viel zu pessimistisch. Von außen wirkt's vielleicht so, aber ich sehe meine Entwicklung als kontinuierlichen Weg. Ich hab lieber viel Zeit und wenig Geld als viel Geld und keine Zeit. Als Brotjob gebe ich an zwei Tagen pro Woche Klavierunterricht, und die restliche Zeit kann ich die Musik machen, die mir Spaß macht. Ich hab es einmal anders versucht und als Barpianist in Spielkasinos gearbeitet. Dabei hab ich verdient wie noch nie, aber es war furchtbar, soviel Geld für hingepfuschte, schlechte Musik, die keinen interessierte, zu kassieren, während es für die guten Sachen, an denen ich mich so abrackerte, so wenig gab.

Früher wirkten Sie oft wie ein wirbelnder Hexenmeister an den Keyboards. Das hat sich, etwa wenn Sie bei den „Babbitts“ Keyboards spielen, sehr gelegt.

Das war wohl meine Spätpupertät – die Phase, in der ich so viel, so schnell und so laut wie nur möglich spielen wollte. Inzwischen kann ich die Keyboards nicht mehr so richtig ernst nehmen; ich hab mir seit Jahren kein neues mehr gekauft und würde nie Keyboards solo spielen. Da bleibt kaum noch Raum für Intuition, man muß viel zu viel an Reglern und Pedalen arbeiten. Das Piano spiele ich viel direkter, da habe ich alles in den Fingern.

Fragen: Willy Taub

Michael Berger und Herbert Henk spielen heute um 20 Uhr im KITO