"Los Kleener, zur Sache!"

■ Die staatlich geprüfte Hure: "Hydra", das Sprachrohr der käuflichen Frau, will eine Berufsakademie für Prostituierte - und den Freiern Kondome schmackhaft machen

„Prostituierte wecken in den Männern die Illusion, sie seien Liebeskünstlerinnen. Doch dann fertigen sie uns wie am Fließband ab“, sagt Oliver Rüster*. Aus dem Freier spricht große Enttäuschung. Die Schale würde fallen, sobald man auf ein Zimmer geht. Übergroße Uhren trügen die Huren an ihren Handgelenken. Statt Erotik zu verbreiten, drängten sie zur Eile. „Los Kleener, komm zur Sache“, sei er bei seinem letzten Puffbesuch aufgefordert worden. Rüster, der sich selbst als „Perfektionist“ in Sachen Sex bezeichnet, mault mächtig: „Prostitution ist ein billiges Vergnügen, das man teuer bezahlt.“

Das soll jetzt anders werden. Eine Berufsakademie für „Sex-Arbeiter“ wünscht sich das Berliner Hurenprojekt „Hydra“. Denn es reiche nicht, daß Frauen sich nur schön anziehen und die Beine breit machen, sagten Andrea Petsch und Antje Conrady am Donnerstag abend auf einer Informationsveranstaltung im Lichtenberger Kulturverein. „Eine Domina kann nicht auf ihren Kunden einpeitschen, ohne die nötigen medizinischen Kenntnisse zu haben.“

Nicht jedes Sex-Spiel könne mit jedem Freier praktiziert werden. Um herauszufinden, was ihre Kunden wünschen, brauchen Huren viel Gespür und müssen gut zuhören können. „Viele Freier wollen trotz Aids-Gefahr noch immer keine Gummis benutzen“, sagt die 31jährige Conrady. Wie kann einem Kunden trotzdem ein Kondom schmackhaft gemacht werden? Solche und andere Fragen stünden auf dem Lehrprogramm der Huren-Akademie.

In den Medien würde immer nur von Drogenprostituierten und Menschenhandel berichtet. „An die Frauen, die zum Anschaffen gezwungen werden, kommen wir gar nicht ran“, sagen Petsch und Conrady. Aber das sei nur die eine Seite der Medaille. Es gäbe auch viele Huren, die auf ihre Arbeit stolz sind. „Und die fördern wir gern“, sagen Petsch und Conrady. Für beide ist die Prostitution ein Beruf wie jeder andere. Bis jetzt veranstaltet Hydra nur Workshops, um den Frauen die verschiedenen Arbeitsbereiche wie Hotelprostitution, Straßenstrich und andere vorzustellen. Doch das reiche nicht. Eine richtige Ausbildung, eine Berufsakademie, muß her!

Neben Straßen- und Öffentlichkeitsarbeit hält die Selbsthilfegruppe auch Einstiegsberatungen ab. Dabei fragen die Hydra-Mitarbeiterinnen zuerst nach der Motivation der künftigen Prostituierten. „Geld spielt natürlich eine große Rolle“, sagt Conrady. Aber auch sexuelle Gelüste und der Wunsch nach Abenteuer würden als Motive genannt. „Wir zeigen den Frauen Alternativen zur Prostitution. Doch wenn eine Frau wirklich anschaffen will, können wir sie nicht davon abhalten.“ Juliane Echternkamp

*Name von der Red. geändert