Wird Schalke bald königinnenblau?

■ Evelin Fricke bewirbt sich um den Schleudersitz der Präsidentin von Schalke 05, nein 04

Auf zwei Krücken hinkt die kleine, durch einen Motorradunfall stark gehbehinderte Frau in die Schalker Vereinskneipe von Legende Gerd Bosch, um sich bei Mettbrötchen und Salzstangen erstmals zu präsentieren. Eine Pressekonferenz hatte sie zu diesem Zwecke eigens einberufen. Und was teilt sie der versammelten (männlichen) Journalistenschar Neues mit? „Ich bin eine Frau“ – nein sowas – „wie man sieht“, sagt sie gleich zu Beginn wie zur Entschuldigung, und: „Ich bin gehbehindert, aber nicht geistesbehindert.“

Evelin Fricke (48) will bei der Mitgliederversammlung am 7. Februar Präsidentin des schuldenstarken FC Schalke 04 werden und damit das Erbe des Sonnenkönigs Günter Eichberg antreten.

Resolut wirkt sie, selbstbewußt und energisch. Kurze schwarze Haare, flüssiges Mundwerk, zwischen dezent-schick und sportlich gekleidet. Sie sieht sich „als Vertreterin von unten“ und will „die Heerscharen von Fans“ vertreten. Und sie ist nicht allein: Vier entschlossen dreinblickende Herren („mein junges dynamisches Team“), die als „internationaler Disponent“ oder „Unternehmensberater“ vorgestellt werden, haben sie zu Bosch begleitet. Bis auf eine kurze Ausnahme sagt keiner ein Wort. Die beiden jüngsten, versichert die Kandidatin, werden ihr Wirtschaftsstudium demnächst abschließen.

Daß ihre Chancen bei den schalketypisch herausragenden Gegenkandidaten (Günter Oscar Siebert im – vermutlich – letzten Versuch, dazu immer neue millionenschwere Fabrikanten) eher, wie es im Ruhrpott-Jargon heißt, „südlich von null“ angesiedelt werden, stört Fricke nicht. Auch über die lästerliche Chauvi-Bemerkung von Schalkes Verwaltungsratsvorsitzendem Jürgen W. Möllemann, der da meinte, das Stadion müsse bei ihrer Wahl wohl „in ein Ernst- Kuzorra-seine-Frau-Stadion umgenannt werden“, kann sie angeblich nur lachen. Aber irgendwie gibt es mit ihrem Geschlecht auf Schalke doch ein Problem: „Ich will nicht, daß sie irgend etwas über meine Person schreiben.“ Über was denn? Die Sache? Dazu später.

Bis zur ihrem 28. Lebensjahr lebte Evelin Fricke in der DDR und absolvierte dort ein Wirtschaftsstudium. Ende der sechziger Jahre kam ihre persönliche Wende – zufällig und dank Königsblau.

Da spielte Schalke bei einem Hallenturnier in Halle. Evelin Fricke entdeckte den herumhechtenden Torwart Norbert Nigbur und dachte sogleich: „Boah, was ist das denn für einer!“ Entflammt für den langmähnigen Schönling („ich war total begeistert“), dauerte es immerhin bis 1974, als die Republikflucht mit Zielort Gelsenkirchen glückte. Im Westen angekommen, versicherte sie sich sofort der Schalker Vereinsmitgliedschaft und wurde „Fan auf Lebenszeit“. Zu näherer Kontaktaufnahme mit Nigbur kam es (soweit der taz bekannt) nicht – ersatzweise hat sie zu Hause eine der umfangreichsten Sammlungen von Torwarthandschuhen zusammengesammelt.

1990 wurde sie Teilzeittelefonistin in der Schalker Geschäftsstelle. Nach gut zwei Jahren gab es Streit. Warum Fricke ging? Sie sagt, sie habe fristlos gekündigt. Andere sagen, sie sei rausgeflogen. Berufliche Tätigkeit seitdem: „Gar nichts.“ Evelin Fricke, kein Zweifel, ist besten Willens und überaus idealistisch. „Ich bin in erster Linie Fan“, ist ihre Maxime, und: „Ich lebe nur für den Sport.“ Sie spricht von Glaubwürdigkeit, Transparenz, Aufrichtigkeit und Solidarität. Nach genauen Konzepten gefragt, wird sie in guter Schalker Kandidatentradition wirr, konfus, ausufernd, wenig bis gar nicht konkret.

Helfen sollen vor allem die 17.000 Mitglieder und vielen Freunde mit Spenden oder Darlehen. „Und das richtige Vereinsleben muß wieder stattfinden, bei den Möglichkeiten.“

Rund vier Millionen Mark will sie pro Jahr an Schulden abbauen. Wie das gehen soll, ließ sie offen, denn es gelte, noch nicht alle Karten auf den Tisch zu legen. Näheres gebe es erst am 7. Februar, wo sie den Mitgliedern („das höchste Gremium des Vereins“) alle Details zur Clubgesundung, die „bis ins letzte durchdacht“ seien, vorlegen will. Auf die Sachinformationen sind wir gespannt. Bernd Müllender