Atomkuchen in Estland soll entsorgt werden

■ Hilfe für die Sanierung von nuklearen Altlasten in der Nähe von Tallinn zugesagt

Stockholm (taz) – Estland soll konkrete Hilfe bei der Sanierung von atomaren Altlasten bekommen. Das wurde grundsätzlich auf einer zweitägigen Strahlenkonferenz in Stockholm beschlossen, wo VertreterInnen der nordischen Staten Estland und Rußland sowie der USA und der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA anwesend waren.

In der Flottenbasis von Paldiski wurden sowjetische Matrosen zwanzig Jahre lang wirklichkeitsnah mit dem Umgang mit Atomreaktoren in U-Booten vertraut gemacht. Unter schwedischer Federführung soll jetzt eine internationale finanzielle und technische Verantwortlichkeit geschaffen werden, die Reaktoren fachmännisch abzubauen und – vermutlich in Rußland – „end“zulagern. Nicht nur die Reaktoren selbst enthalten eine große Menge hochaktiven Brennstoffes; auch auf dem Gelände befindet sich noch ein Lager mit radioaktiven Abfällen, dessen Umfang und Zusammensetzung niemand kennt.

Sillamäe ist ein Sumpf, der den Ostseeanrainerländern schon länger großes Kopfzerbrechen bereitet. Im Anschluß an eine Urangewinnungsfabrik wurde hier seit den fünfziger Jahren strahlender Abfall in einem 360.000 Quadratmeter großen, mit einfachen Erdwällen gesicherten See „entsorgt“. Jan Olof Snihs, stellvertretender Chef des Schwedischen Strahlenschutzinstituts SSI: „Man hat nur Wälle aus Erde und Kies gebaut, damit die ganze Soße nicht in die Ostsee floß. Im Laufe der Jahre ist hier ein dreißig Meter tiefer strahlender Abfallkuchen entstanden.“

Die oberste Schicht dieses „Kuchens“ ist lose und staubt oder schwappt nach langem Regen auch schon einmal über den Erdwall in die Ostsee. Darüber hinaus gibt es Vermutungen, daß seit Jahren aus dem Sumpf radioaktives Wasser in die Ostsee leckt. Da der ganze Bau nicht nur unstabil erscheint, sondern auch ein gutes Stück höher als die Ostsee liegt, fürchtet das SSI ein Brechen des Damms. Snihs: „Der ganze Kuchen, vermutlich fünf Millionen Tonnen in der Zusammensetzung noch unbekannter Abfall, könnte dann in die Ostsee platschen.“ Selbst wenn man den See nur besser abdämmen und von oben her versiegeln würde – ein bei estnischen UmweltschützerInnen mit sehr großem Zweifel verfolgtes Projekt – würde dies mindestens 30 Millionen Mark kosten.

Die Regierung in Schweden aber hat ihr Engagement mit einem klaren Signal gen Moskau verbunden: Jede weitere Hilfe könne schon bald gestoppt werden, wenn der unverantwortliche Umgang Rußlands mit atomarem Abfall und Brennelementen nicht gestoppt würde. Reinhard Wolff