Das Versagen des Kapitäns und die Unschuld der Politik

■ Britischer Regierungsbericht zum Tankerunglück

Dublin (taz) – Ein paar Tage lang beherrschte das Tankerunglück vor der Küste Shetlands im letzten Winter die Schlagzeilen und veranlaßte Europas Verkehrsminister zu Krisensitzungen. Geändert hat sich an der Sicherheitspolitik nichts. Und jetzt erfuhren die InselbewohnerInnen auch warum: Schuld an der Umweltkatastrophe war der Kapitän der „Braer“. Alexandros Gelis habe einen „grundlegenden Mangel einfachster Seemannskunst sowie schwere Pflichtvergessenheit“ erkennen lassen. Zu diesem Ergebnis kam eine Untersuchung des britischen Transportministeriums.

Die unter liberianischer Flagge fahrende „Braer“ war am 5. Januar vergangenen Jahres nach Ausfall der Maschinen vom Sturm auf die Felsen vor Garths Ness an der Südspitze Shetlands getrieben worden. 85.000 Tonnen leichten Rohöls flossen ins Meer. Tausende von Vögeln verendeten, und mehr als ein Dutzend Lachsfarmen mußten dichtmachen, nachdem ihre Fische vom Öl verseucht worden waren. Die Säuberungsaktionen kosteten 2,5 Millionen Pfund. Dazu kommt der Schaden, den die Tourismusindustrie erlitten hat: Im Vergleich zum Vorjahr sind die Einnahmen 1993 um 1,3 Millionen Pfund zurückgegangen.

Die Maschinen der „Braer“ seien ausgefallen, weil das Dieselöl verunreinigt war, heißt es in dem Bericht des Transportministeriums. Während des Sturms haben sich Stahlrohre losgerissen und sind über das Deck gerollt. Dabei beschädigten sie die Lüftungsschächte der Treibstofftanks, wodurch Meerwasser in die Tanks gelangen konnte. Der griechische Kapitän hätte sich trotz des Sturms und einer Seitenlage des Schiffes von 22 Grad sofort um die Reparatur der Schächte kümmern müssen, moniert das Ministerium. Kritisiert wird auch die Küstenwache von Shetland. Sie habe zu langsam reagiert, als Gelis ein Schleppboot anforderte. Statt dessen mußte Gelis sich erst per Funk von dem Besitzer der „Braer“ in den USA die Bestätigung einholen, daß er die Kosten für die Hilfsaktion übernehmen werde.

Die Forderung der 22.500 InselbewohnerInnen, die schmale Straße zwischen der Südspitze Shetlands und der vorgelagerten Fair Isle für den Schiffsverkehr zu schließen, weist das Ministerium dagegen zurück: Es sei die „am wenigsten gefährliche und kürzeste Strecke“. Auf die Tatsache, daß immer wieder unter Billigflagge fahrende Tanker in Unglücke verwickelt sind, gehen die Autoren überhaupt nicht ein.

Mit dem Bericht ist die britische Regierung fein raus: Da angeblich einzig und allein menschliches Versagen für die Katastrophe verantwortlich war, muß man auch nichts weiter unternehmen, um die Sicherheit des Schiffsverkehrs in der Region zu verbessern. Zwar steht ein zweiter Bericht zu diesem Thema noch aus, doch die Menschen von Shetland haben auf die Untätigkeit der Londoner Regierung bereits reagiert. Sie haben eine Organisation gegründet, der Mitglieder aller schottischen Parteien sowie der shetländischen Unabhängigkeitsbewegung angehören. Da die Regierung riesige Summen mit dem Öl aus der Region verdiene, so argumentieren sie, müsse sie auch etwas für die Tankersicherheit tun.

Jonathan Wills, ein Sprecher der Organisation und ehemaliger Herausgeber der Shetland Times, forderte auf einer Pressekonferenz in Lerwick, daß der Inselverwaltung die Kontrolle über den Schiffsverkehr vor ihren Küsten übertragen werden soll. Außerdem verlangt Wills ein Radarsystem und Flugzeuge zur Küstenüberwachung sowie die Stationierung eines hochseetüchtigen Schleppers. Langfristig sollen sämtliche Schiffe, die in britischen Gewässern verkehren, ähnlich wie Flugzeuge mit Geräten ausgerüstet werden, die ständig die Schiffsposition auf Monitore der Küstenwache übertragen. Dieses System wird vermutlich in den USA demnächst eingeführt.

Wills schätzt, daß die gesamte Ausrüstung etwa zwei Millionen Pfund kosten würde. Hinzu kämen Betriebskosten von etwa drei Millionen jährlich – kleine Fische im Vergleich zu den 40 Millionen Pfund, die die Versicherung der „Braer“ an Schadensersatz zahlen muß, sagt Wills. Er befürchtet jedoch, daß die britische Regierung die Sache mit den beiden Untersuchungen auf sich beruhen lassen werde. Das Ergebnis der zweiten Untersuchung, die Vorschläge zur Verhütung von Schiffsunglücken machen soll, wird im April veröffentlicht. Wills sieht das jedoch nur als kosmetische Übung, da der Leiter der Untersuchung, Lord Donaldson, bereits zugestimmt hat, lediglich „die preisgünstigste Lösung“ vorzuschlagen. Ralf Sotscheck