Wenn Frauen schlagen lassen

Zwar sind Frauen im rechtsextremen Bereich deutlich unterrepräsentiert, eine neue Untersuchung aus NRW zeigt dennoch ihre Sympathie mit rechtem Gedankengut  ■ Aus Dortmund Annette Rogalla

Der deutsche Rechtsextremist hatte eine harmonische Kindheit. Es besteht überhaupt kein Zusammenhang zwischen rechtsextremen Kindern und alleinerziehenden Müttern. Auch das Vorurteil, die freizügigen und antiautoritären 68er seien verantwortlich für die rechte Jugend, ist nicht haltbar. Im Gegenteil: Der junge Rechte wuchs unter strengem Regime auf und blickt zufrieden auf seine Kindheit zurück. Außerdem ist er männlich.

Frauen und Rechtsextremismus – das scheinen zwei verschiedene Paar Schuh zu sein, auf den ersten Blick jedenfalls. Als Täterinnen treten sie kaum in Erscheinung. Nur acht von 100 fremdenfeindlichen Straftaten werden in Nordrhein-Westfalen von Frauen begangen. Rechtsextreme Organisationen sind auch nicht ihre Welt. Zwar sind auch sie von den Parteien schwer enttäuscht, aber nur jedes fünfte Rep-Mitglied ist weiblich, zu zwei Dritteln setzen Männer ihr Kreuzchen bei Schönhuber & Co. Nachzulesen ist das in der am Dienstag vorgestellten Studie der Gleichstellungsministerin von NRW. Erstmals wurden junge Menschen zwischen 14 und 24 zum Rechtsextremismus befragt, und zwar geschlechtsspezifisch.

Jeder zehnte junge Mensch in dieser Altersgruppe rennt mit einem festen rechtsextremen Weltbild im Kopf herum, haßt Ausländer, würde seine Gesinnung auch schlagend durchsetzen, verachtet Homosexuelle wie Behinderte gleichermaßen, hält Adolf Hitler für einen respektablen Mann und den Nationalsozialismus für eine prima Sache. Knallharte Rechte in diesem Sinne sind von den befragten 1.000 Jugendlichen 75 Jungen und 25 Mädchen. Frauen sind also doch die besseren Menschen?

Das muß nicht sein. Zwar fühlen sich die jungen Macker zuständig für angewandte Gewalt, deswegen fahren die Mädels jedoch noch lange nicht auf der Überholspur der moralischen Gewinner. Die Untersuchung beweist: Neben den rechten Hardlinern existiert noch ein zweites Lager: Jeder fünfte Jugendliche, Mädchen wie Junge, ist autoritär eingestellt, befindet sich gewissermaßen auf der Vorstufe zum Rechtsradikalismus. Junge Frauen wie Männer finden gleichermaßen, in Deutschland seien „Recht und Ordnung in Gefahr“, das Land brauche eine „starke Hand“. Im Gegensatz zu den Jungs macht Gewalt den Mädchen zwar Angst, sie lehnen sie auch explizit ab, aber 76 Prozent fordern, „Ausländer, die hier leben wollen, müssen sich mehr anpassen.“

Rassismus ist nur auf den ersten Blick alleinige Männersache. Die jungen Frauen von heute sind klassische Mitläuferinnen. Sie schlagen nicht zu, sie agieren subtiler. Nicht nur Feministinnen müssen sich von der Vorstellung verabschieden, Sexismus und Rassismus hätten die gleichen Wurzeln, nämlich das Wüten von Männergewalt. Für Birgit Rommelspacher, als Frauenforscherin zur Präsentation der NRW-Studie geladen, sind Frauen nicht länger die „Neger der Welt“. Sie waren nicht qua Geschlecht immun gegen Kolonialismus, Antisemitismus und Rassismus. Im Nationalsozialismus trugen sie sogar eine gewisse Emanzipation davon. Nicht ihrem Mann, sondern dem Führer, jenem übergeordneten Wesen, schenkten sie die Kinder und wurden mit dem Mutterkreuz ausgezeichnet. Heute profitieren Frauen vom Rassismus, obwohl sie nach wie vor diskriminiert werden.

Die Angst um den Wohlstand motiviert: „EinwanderInnen stellen das angestammte Recht auf unseren Reichtum in Frage“, sagt Rommelspacher. Verhaßt sind Roma und Sinti wegen ihres sorglosen Lebens, hingegen die deutsche Frau sich für das bißchen Wohlstand schwer abrackern muß. Mit ihrem Haß auf diese Fremden „projizieren Frauen ihre unterdrückten Wünsche nach Verwöhntwerden und Sichgehenlassen“, so Rommelspacher. „Diese Wünsche werden auf den anderen übertragen und an ihnen bekämpft.“ So erkläre sich, daß keineswegs die Ärmsten der Armen besonders rassistisch seien. Es bedarf keineswegs der Gewalt, um andere auszuschließen. „Bei Frauen findet dieser Ausschluß meist weniger öffentlich und weniger spektakulär statt“, sagt Rommelspacher. Umfragen zeigen, daß Mütter noch weniger als Väter dulden, daß ihre Kinder einen schwarzen Menschen heiraten. Deutsche Tagesmütter weigern sich, ausländische Kinder in Pflege zu nehmen. Und daß dunkelhäutige Männer sexuell besonders gefährlich seien, denken vor allem Frauen. Weiblicher Rassismus hilft, den Widerling im eigenen Haus zu ertragen. „In diesem Sinne stabilisiert der Rassismus den Sexismus“, konstatiert Rommelspacher.

Nach ihrem Eigenbild befragt, geben autoritär gepolte junge Frauen an, Gleichberechtigung sei kein Thema für sie, da Frauen ohnehin im „Beruf benachteiligt“ werden (mehr als 70 Prozent) und zudem beruflicher Erfolg „für einen Mann wichtiger als für die Frau ist“ (48 Prozent). Zustimmung äußern sie zur These: Frauen seien selbst schuld, wenn sie sich von Männern unterdrücken lassen. Dennoch glauben sie, daß Männer „irgendwie“ anders sind.

Wie aber den Kreis von Dominanz, Herrschaft und Macht durchbrechen? In der offenen Jugendarbeit finden sich selten Angebote für Mädchen und junge Frauen. Im Osten der Republik werden jährlich zwar 20 Millionen Mark in die Arbeit mit gewalttätigen Jugendlichen gesteckt, jedoch kümmern sich die angelernten Sozialarbeiter fast ausschließlich um Jungs. Autoritäre Einstellungen bei jungen Frauen, davon ist die Münchener Jugendforscherin Anita Heiliger überzeugt, lassen sich nur durch feministische Jugendarbeit verändern. Schließlich sei das Emanzipationsangebot der Rechten für verunsicherte Frauen interessant: „Rechts hebt den Kampf in der Küche auf dieselbe Ebene wie den auf der Straße“, sagt Heiliger.

Nur, wo gibt es sie, die tolle Mädchenarbeit? Demnächst in Nordrhein-Westfalen. Ilse Ridder- Melchers, die Gleichstellungsministerin, hat nicht nur die Studie bezahlt, sie will auch ein spezielles Projekt für rechte Mädchen einrichten. Wo, ist noch unklar, mit wem noch ungewiß. Daß geschlechtsspezifische Angebote vonnöten sind, zeige die Erfahrung in der Jugendarbeit. Doch, was ist mit den 90 Prozent gewalttätiger Jungs? „Eine Jungenpädagogik muß her“, sagt Ridder-Melchers. Die ist noch nicht in Sicht, dafür sind die Männer selbst zuständig.