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Für jede Nudel die passende Soße

■ Die Lust sich zu bewegen oder dabei zuzusehen, wie es andere tun, beschäftigt Hamburgs Clubs

Für die Tanzbodenfreunde unter den Winterschläfern gibt es endlich wieder gute Gründe, aus den Bettfedern zu kriechen: Den Groove in Hamburgs Konzerthallen sichten. Zusätzlich gibt–s im Februar noch für jede Nudel die passende Sauce.

Die Fabrik eröffnet die Saison mit Greg Osby. Der instrumentale Rapper aus Harlem bläst ebenso heftig in sein Mundstück wie ins Mikro. Als Labelmate von US 3 treibt Osby die Verbindung von Jazz und Hip-Hop konsequent voran. Wo seine Kollegen in abgestandenen Standards kramen, schließt sich Osby am Saxophon mit expressionistisch ausufernden Soli kurz. Ob ihm zwischen Mikrofon und Sax die Puste ausgeht, läßt sich am 7. Februar überprüfen.

Tags darauf hüpfen - mittlerweile zum dritten Mal - die Rabauken-Hopper von Cypress Hill in der Großen Freiheit über Hamburgs Bühnen. Mit näselnden Oden auf das ebenso selig machende wie die Umwelt schonende „grüne Hanfkraut“ treiben die Soul Assasins dem Hip-Hop das letzte Quentchen Soul aus.

Obwohl das Westcoast-Trio sich aus zwei Latinos und einem Italo-Amerikaner zusammensetzt, ist es den “Drei vom Hügel“ gelungen, auch in der afro-amerikanischen Rap-Gemeinde Anerkennung zu finden, die sonst kein gutes Haar an weißen Rappern läßt. Außerdem gebührt Cypress Hill die Auszeichnung, einen völlig eigenständigen Stil entwickelt zu haben. Da sie ihre Samples zu einer stets in die gleiche Kerbe sägende Fräse entstellen, bleibt allein der ungeschlachte Beat und ein Rap: Zu einem Dialekt versprachlicht wie er hierzulande nur von BAP gepflegt wird.

Die Trikolore wird am 9. in der Markthalle gehißt. Zwei französische Formationen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, werden wegen ihrer Nationalität zusammengepfercht. Soon E MC stammt aus dem Quartier Nord, einem Pariser Vorort wo er schon im Sandkasten mit MC Solaar den eleganten Rap ausbaldowert hat. Noch heute haben die beiden viel gemeinsam. Der „Architexter“ Soon E MC baut ebenso sprachgewandte Texte wie Solaar, nur nimmt er häufig das Tempo heraus für Geschichten, die ihm unter den Nägeln brennen. Sein DJ Seeq zitiert von anderen Mixern längst Beackertes von Eddie Brickell oder George Clinton. Obwohl manchmal das Zitat erneut zitiert wird, gelingt den beiden, die live zur Band aufgestockt werden, eine eigenständige Mischung, die beweist, daß „Le Rap francais“ auch neben Solaar seine Blüten treibt.

FFF hingegen vergreifen sich an George Clintons durchgeknalltem P-Funk und schneiden ihre Funk-Brötchen manchmal mit der Gitarrenharke auf. Mit der unfreiwilligen Komik ihrer englischen Texte lösen sie jedoch allenfalls Ohrenbluten aus. Die Fabrik ist der traditionelle Hort von Bands aus dem Umfeld von Adrien Sherwood. Nachdem Dub Syndicate und andere Bands des Londoner On-U Sound-Labels im letzten Jahr mit ihrem Dub Ragga die Bassboxen kapitulieren ließen, versuchen es African Headcharge „wurzeliger“. Iyabingi Noahs flinke Finger an den Bongos liefern das Gerüst zu dem sich langsame gedubbte Rhythmen und wechselweise Gospelchöre oder raunzende Toaster gesellen. Wie immer entstehen bei ON U Sound aus dem Zusammenprall haarsträubend gute Momente.

Auch in den Clubs gibt es diesen Monat keine aufgewärmte Tiefkühlkost. Während das Belcafé (Bellealliancestraße) am Wochenende für die Tanzbodenkönige seinen Keller geschmackssicher renoviert hat, bekommt man im Post Office (Budapesterstraße) sein Bier hinter den Tresen eines schräg dekorierten ehemaligen Postamts.

Zwei alteingesessene Clubs laden sich DJ-Gäste von der Insel. Am 4. Februar versucht sich ein Mitglied von Dodge City Production im Powerhouse. Femi von den Young Disciples führt am 18. im Mojo Club seine neuen Platten vor, desgleichen Gilles Peterson eine Woche später (diesmal soll er auch tatsächlich kommen).

Volker Marquardt

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