Indianerspiele im Sozi-Wigwam

■ Die Auswahl des neuen Häuptlings bringt viele Stämme auf den Kriegspfad Von Florian Marten

„Ein Zeichen setzen“ sollte SPD-Häuptling Helmuth Frahm. Das ist ihm gelungen: Kaum klang die Kunde seines Abtritts durch den Äther, stürzten sich die Sozis allüberall in Hamburg mit wildem Juchhee auf ihr allerliebstes Steckenpferd, das Indianerspiel. Junge Väter ließen schreiende Kinder im Stich, hochgelehrte DoktorInnen girrten an glühenden Telefondrähten wie einst im Mai, Toskana-Roter (sehr im Kommen: der lange unterschätzte Chianti Ruffina) gab dem Postengebalze von Tenor und Bariton samtene Fülle.

Objekt überstürzter Begierde - der Häuptlingsposten. Die gegenwärtig überaus komplexe Gemengelage der SPD-Machtstrukturen hat dazu geführt, daß diesmal überraschend viele Stämme auf den Kriegspfad zogen. Prognosen sind deshalb ein riskantes Geschäft.

Eigentlich müßte der Job dem Altonaer Walter Zuckerer zufallen. Er ist versorgungsmäßig in Wirtschaftsbehörde und Parlament gut abgesichert, kann seine Jobs dort gefahrlos schleifen lassen, um sich dem Parteiamt zu widmen. Zuckerer bestand den Härtetest der Rot-Grün-Verhandlungen. Und schließlich: Ein Posten-Zuckerl für die zuletzt so arg gebeutelten Altonaer GenossInnen (rapider Machtverlust) wäre angezeigt.

Dies Zuckerl könnte auch Manfred Sachs, Altonaer Kollege/Rivale von Zuckerer gebrauchen. Jahrzehntelanges braves Schlangestehen hat ihn bislang noch kein Zentimeterchen näher an seine Lieblings-Senatorenjobs Bauen und/oder Stadtentwicklung gebracht.

Die Zuckerl-Komponente beanspruchen können allerdings auch der Spitzenjurist „Eddie“ Mantell, derzeit Cheforganisator und Regionalplanungschef in der Stadtentwicklungsbehörde, und sein Bezirk Eimsbüttel. Zudem ist Mantell Lebensgefährte von Thea Bock, die jüngst der Versorgungsdenke der Nord-Apachen zum Opfer fiel (ihr Konkurrent Wolfgang Curilla brauchte einen Vorruhestandsjob). Der Jurist Mantell ist auch Hoffnungsträger der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer JuristInnen (AsJ), die so lange behauptete, Avantgarde der SPD zu sein, bis Voscherau sie mit einem persönlichen Bannfluch belegte.

Relativ zuckerlarm ist die Kandidatur des Juristen Hans-Jürgen Grambow, der lediglich Integrität und solide Arbeit bei der Erstellung eines Entwurfs zur Verwaltungs- und Verfassungsreform vorweisen kann. Chancen bietet ihm allenfalls die Liebe der SPD-Rechten für „schwache Linke“, ein Etikett, mit dem man sich bei Grambow allerdings folgenschwer irren dürfte.

Für Horror bei Parteirechten und Voscherau hat die Idee gesorgt, Ex-Umweltsenator Jörg Kuhbier auf den Schild zu heben. Kuhbier hat durch den Verzicht auf sein Senatsamt, seine sachliche Kritik an Voscherau (ohne je illoyal zu werden) und sein Gutachten gegen die Ostseeautobahn (Auftraggeber Engholm hätte ihn dafür am liebsten gehenkt) viel zu viel Unabhängigkeit und Rückgrat bewiesen.

Wende-Indianer Voscherau, längst eng verbrüdert mit der Kavallerie der Handelskammer, spielt ein anderes Blatt. Seine Herzdame heißt Dorothee Stapelfeldt. Die Nord(!)-Linke bringt dank Bildung und Auftreten gute Marketingchancen fürs Produkt SPD, ist längst Senatorin im Wartestand und an Loyalität zu Voscherau und Treue zu den Orders ihrer Vor-Genossen nicht zu überbieten. Echte Frauenpower ist bei der SPD Mangelware. Die Nachwuchshoffnung Ute Pape ist auf dem Sitz der Bürgerschaftspräsidentin kaltgestellt, Traute Müller gestürzt, die biederen Angelika Mertens und Marliese Dobberthien im Bonner Exil.

Viel deutet gegenwärtig auf einen Sieg der Parteisoldatin Dorothee Stapelfeldt hin: Sie ist Voscheraus Darling, Mitglied der Nord-Apachen, Frau und im Posten-Wartestand.

Bleibt der taz-Traum-Kandidat: Henning Voscherau. Nach der neuesten EG-Verordnung (in der Packung soll drin sein, was drauf steht) könnte nur das Produkt „SPD-Häuptling Voscherau“ mit einem „Sehr gut“ der unbestechlichen Stiftung Polittest rechnen. Und schließlich: Wer hätte den Sieg im Indianerkrieg mehr verdient als Obertricky Henning?