Aus der Fluxus-Kathedrale

■ Emmett Williams, Altaktivist der Fluxus-Bewegung, stellt in Bremen aus

Ein großes altes Stück Kunstgeschichte ist nach Bremen gekommen und hat seine Spuren hinterlassen, und wer nicht hingeht, ist selber schuld. Der Fluxuskünstler Emmett Williams, dessen Biographie unsere Enkel in der Schule werden herunterbeten müssen, zeigt neuere und ältere Arbeiten in der Galerie beim Steinernen Kreuz.

Williams, geboren 1925 in Virginia / USA, ist der Grand Old Man der internationalen Fluxus-Familie. Fluxus ist eine Kunstrichtung, die davon lebt, daß die Feuilletons vergeblich versuchen, sie zu definieren: Fluxus ist immer schon anderswo. Fluxus kann auch, wie man jetzt in Bremen sieht, an der Wand hängen und aussehen wie Bilder im Rahmen.

Aber wo trifft man heute schon so quietschkomische Kunst? Knallbunte Männchen, die ihren Tanz tanzen wie zum Spaß. Wie zum Dekor. Kuchenstücke und Gemüse, ins Profil des Künstlerkopfes eingepaßt. Airbrushmäßig hingehuschte Minimalismen wie ein Irrtum. Ja japanisch. Wir hören von einer geplanten Fluxus-Kathedrale in irgendeiner amerikanischen Wüste, und dies runde Bunte seien die Kirchenfenster.

„Fluxus Kathedrale“: Wir kommen der Sache näher. Nie könnte man ein Fluxus-Bild einzeln kaufen; dran hängt immer ein Geschichtengespinst, ja die ganze Blase. Denn Fluxus ist die Summe der Menschen, die dazugehören, plus aller Legenden.

Bändeweise wird über die Herkunft des Namens spekuliert. Sicher ist, daß Fluxus war, bevor es den Namen gab. Es heißt, der Name habe erstmals in einer Zeitschrift gestanden, die dann aber nie erschienen sei. Das offizöse Geburtsdatum von Fluxus war 1962; in Wiebaden geschah eine Reihe skandalöser Konzerte „Neuester Musik“, organisiert von einem Designer der amerikanischen Armee, George Maciunas. Emmett Williams war dabei als Mitglied eines „Darmstädter Kreises“ für konkrete Poesie und als Performer.

Überhaupt: Was heißt schon „bildender Künstler“? Fluxus stiftete zeitlebens Verwirrung, dehnte den Kunstbegriff in Richtung Gag und Design, bis er platzte, und Emmett Williams ist sowieso nur durch einen Irrtum Maler geworden: Er bekam eine Gastdozentur an irgendeiner amerikanischen Kunsthochschule; und als er dort eintraf, eröffnete man ihm, dem Mann des konkreten Wortes, daß er eine Fortgeschrittenen-Klasse der Maler zu leiten habe. „So lernte ich malen,“ erzählt Williams gern im Familienkreis.

Williams kam durch die Welt der Freunde (Japan: Ay-O, Amerika: John Cage, Frankreich: Robert Filliou, Daniel Spoerri), und lebte oft und gern als Artist-in-Residence. Nach einem DAAD-Stipendium blieb er in Berlin hängen bis heute.

Wolfgang Hainke (ein Familienmitglied aus Schierbrook nahe Bremen) zitierte zur Eröffnung der Ausstellung Worte von Robert Filliou: Natürlich ist Emmett einer der Männer, die von Anfang an zu diesem Öffnen der Kunst beigetragen haben. Machen ist möglich. Die Energie zu haben, die Torheit zu haben, das Verständnis für Kunst erweitern zu wollen - vom Erblicken des Apfels bis hin zum Malen (wie unser Freund Cézanne es getan hätte), ihn zu essen, ihn für Apfelbäume zu kultivieren, ihn zu sammeln, um Apfelkuchen zu machen, ihn zu werfen ... eine Welt zu erschaffen, in der Freude, Gerechtigkeit, Frieden und Harmonie sind. Das ist es!

Solange man über Fluxus spricht, lebt Fluxus, und Emmett Williams ist natürlich keineswegs Kunstgeschichte: Am 18. Februar um 20 Uhr wird er in der Galerie ein Fluxus-Event auslösen. An dem bastelt er gerade.

Burkhard Straßmann

Galerie Beim Steinernen Kreuz 1, geöffnet Di.-Fr. 10-13 Uhr und 15-18.30 Uhr, Samstag 10-14 Uhr. Ausstellung bis zum 4.März.