■ Press-Schlag
: Revolution bei Juve

Ausgesprochen zugeknöpft gab sich der Weltfußballer des Jahres 1993, als er zu jenen Vorgängen in seinem Klub befragt wurde, die von der italienischen Presse flugs zur „Revolution“ ausgerufen wurden. „Ich sage gar nichts“, sagte Roberto Baggio, ergänzte, als er weiter bedrängt wurde: „Fragt jemand anders“ und beendete die Audienz brüsk mit den Worten: „Das ist eine Angelegenheit der Sozietät. Basta!“

Bei besagter Sozietät handelt es sich um den traditionsreichen Fußballklub Juventus Turin, seit Dekaden das Spielzeug der Unternehmer- Familie Agnelli, die sich ihre Spaghetti mit der Produktion tendenziell kleingeratener Autos zu verdienen pflegt. Doch die Geschäfte des Fiat- Konzerns laufen schlecht in letzter Zeit, und der „Advokat“, wie der 72jährige Konzern-Chef Giovanni Agnelli genannt wird, hat zunehmend Probleme, den Leuten die immensen Summen plausibel zu machen, die in die Taschen der Juve-Fußballer fließen. Alles wäre kein Problem, wenn die Mannschaft wenigstens erfolgreich wäre, doch seit sieben Jahren hat Juventus keinen Meistertitel mehr gewonnen, eine Misere, über die auch der Gewinn des UEFA-Cups im letzten Jahr nicht hinwegtrösten konnte.

Die finanzielle und sportliche Situation hat Gianni Agnelli und seinen Bruder Umberto nun zu einem völligen Umbruch veranlaßt. 51 Prozent der Anteile des Klubs gingen an eine Finanzierungsgesellschaft, und die Tage des alten Aufsichtsratsvorsitzenden Giampiero Boniperti, der 48 Jahre die Geschicke des Klubs leitete, sind gezählt. An seine Stelle tritt Roberto Bettega, nicht immer treffsicherer Juve-Stürmer der 70er. „Er hat den richtigen Background“, lobt Team-Manager Morini, „er hat so viel für Juve getan, er hat eine Lunge und ein Bein auf dem Spielfeld gelassen.“ Und, höchstes Lob: „Er ist aus der Familie.“

Dem Wechsel an der Klubspitze werden vermutlich diverse Veränderungen in der Mannschaft folgen. Trainer Giovanni Trapattoni darf zum Saisonende gehen, Wunschkandidat ist Nationalcoach Arrigo Sacchi. Auch der teure Spielerkader soll gelichtet werden. „Wir müssen mit dem vorhandenen Holz Feuer machen“, sagt Umberto Agnelli, gibt aber gleichzeitig zu bedenken: „Mit trockenem Holz kann man nicht viel anfangen.“ Es müßten „junge Zweige aus dem eigenen Garten“ her. Alles rankt sich dabei um Roberto Baggio. Die Verlängerung seines Vertrages, der 1995 ausläuft, ist oberstes Gebot. Weit ungewisser die Zukunft von Andreas Möller, Schoßkind Bonipertis, dessen Verkauf viel Geld bringen würde. Auf der Abschußliste: Fehleinkauf Gianluca Vialli, der 10.000 Mark pro Tag kostet, der Brasilianer Julio Cesar und wohl auch Jürgen Kohler, der die Juve-Revolution unnachahmlich treuherzig kommentierte: „Wenn Giovanni Agnelli so entschieden hat, dann sicher zum Wohle des Vereins.“ Matti