Vom Basketballfieber gepackt

Von Athen bis Saloniki dreht sich im griechischen Sport (fast) alles um den roten Ball / Traumgehälter für die großen Stars  ■ Von Nikos Theodorakopulos

Berlin (taz) – Kleine Kinder haben es in den griechischen Großstädten nicht einfach. Um einen Spielplatz zu finden, müssen sie lange suchen. Einfacher haben es dagegen ältere Kinder und Jugendliche, zumindest solange sich ihre Freizeit um einen roten Ball dreht. Fast an jeder Ecke sind Basketballkörbe aufgestellt, und mit Teer geizen die Griechen ohnehin nicht. Die schwarzen Teermassen werden überall hingeschüttet, also warum nicht auch zwischen zwei Körbe?

Die Basketball-Hochkonjunktur in Griechenland ist keine kurzlebige Modeerscheinung. Spätestens mit dem Gewinn der Europameisterschaft vor eigener Kulisse im Jahre 1987 wurde klar, daß Griechenland auch auf internationalem Parkett wettbewerbsfähig ist.

Die anfängliche Euphorie stieg mit den Jahren zu einem vollen Rausch. Lediglich zwei Fernsehabende in der Woche bleiben basketballfrei. Am Wochenende werden in einer Live-Konferenz alle Liga-Spiele übertragen. Und zwischen Dienstag und Donnerstag spielen die Elite-Lieblinge der Nation bei den europäischen Wettbewerben. Die Erfolgsbilanz der Vereine kann sich sehen lassen. Olympiakos aus Piräus und Panathinaikos aus Athen führen ihre Gruppen in der Champions- League an. Aris Saloniki ist kurz davor, den Sprung ins Halbfinale im Wettbewerb der Pokalsieger zu schaffen, und die drei Vertreter im Korac-Pokal haben gute Aussichten, das Halbfinale zu erreichen. Selbst die Qualifikation der Fußball-Nationalmannschaft für die nächste WM konnte den Korbjägern die Popularität nicht streitig machen.

Dort aber, wo Ruhm und Publicity ist, kann das Geld nicht weit weg sein. Die 28 Aktiengesellschaften, die in der ersten und zweiten Liga um Einschaltquoten spielen, sind millionenschwere Unternehmen. Der Kampf um die Spitze des Olymps, oder besser gesagt um Marktanteile, ist erbittert. Und in den Sommermonaten wird mit den Spielern gepokert. Sie werden zu Preisen angeboten, die selbst den bestbezahlten Fußball- Profis astronomisch erscheinen müssen.

Dort, wo Geld ist, lassen die Fachkräfte nicht lange auf sich warten. Die griechische Profi-Liga ist ein Eldorado für schwarze und weiße Ballkünstler. Spieler aus Ex- Jugoslawien, ausrangierte Veteranen aus der NBA oder solche, die Europa als ein Sprungbrett dorthin nutzen wollen, finden im vom Basketballfieber geschüttelten Griechenland gute Arbeitsmöglichkeiten und -bedingungen. 28 ausländische Spieler tummeln sich in den 14 Erstliga-Vereinen. Unter ihnen Roy Tarpley, der eigentlich bei den glücklosen Dallas Mavericks unter Vertrag steht, aber wegen Drogen Spielverbot für die NBA hat, und der Ex-Jugoslawe Zarko Paspalj. Beide Spieler von Olympiakos erhielten für die Vertragsunterzeichnung umgerechnet jeweils 2,5 Millionen DM. Nicht unerwähnt sollen auch diejenigen bleiben, die sich bei solchen Geschäften eine goldene Nase verdienen: die Spielervermittler.

Trotz der Millionen, oder besser: gerade deswegen ist die best(- bezahlt-)e Liga Europas eine Zweiklassengesellschaft. Sechs Vereine teilen unter sich den größten Teil des Kuchens auf. Aber nicht nur bei den Vereinen, sondern auch unter den Spielern gibt es arme und reiche Verwandte. 70 Prozent der 300 Profispieler müssen mit Gehältern auskommen, die teilweise die Höhe des Gehaltes eines ungelernten Arbeiters erreichen.

Das Profigeschäft ist hart und von relativ kurzer Dauer. Die Regulierung der Kranken- und Rentenversicherung der Spieler war auch eine der wichtigsten Forderungen der Spielergewerkschaft, die vor drei Jahren gegründet wurde. Inzwischen ist sie eine Institution. Die laufende Saison fing wegen eines Spielerstreiks mit einiger Verspätung an. Letztere wollten nämlich ihren angemessenen Anteil an der Beute haben, die die Vereine aus Fernseh- und Werbeeinnahmen einfahren.

Nicht so große existentielle Fragen müssen sich natürlich die Stars des Basketballzirkus stellen. Zu ihren fetten Gehältern und Zusatzleistungen kommen noch ihre eigenen Werbeverträge hinzu. Nicht zuletzt deswegen stehen diese Stars im Blickfeld der Öffentlichkeit; das heißt, daß ihre Fotos und ihr Privatleben nicht nur die Sport-, sondern auch die Klatschspalten der Medien beschäftigen. Als vor einigen Jahren die Ehefrau des Punktewerfers und Top-Verdieners Nikos Galis bei einem Unfall umkam, konnten die Fans die Details eines upperclass-Familiendramas erfahren und kommentieren. Besonders die schwarzen Amerikaner sind beliebte Medienfiguren.

Doch die Vorbilder Tausender junger Griechen sind diejenigen, die den Mythos einer Bilderbuchkarriere pflegen: von der frechen Rotznase zum Superstar. Einer der besten Center Europas, Panagiotis Fasoulas, ist eines dieser vorbildlichen Beispiele. Auf dem Schulhof in einem Arbeiterviertel Salonikis fing er an, den Ball in Richtung Korb zu werfen.

Jetzt posiert der 28jährige mit seinen Teddys und demonstriert, daß selbst arme Teufel erfolgreiche Öffentlichkeitsarbeit betreiben können. Schließlich ist das im Mutterland des Basketballs auch nicht anders.