■ Bonn apart
: SPD groß in Form

Bonn (taz) – Montag, 24. Januar. SPD-Parteizentrale Bonn. Ein Tag wie jeder andere? Oh nein.

Das erste Opfer meldet sich. Lange Gesichter im Ollenhauer- Haus. Als die Reihe der Anrufenden nicht abreißt, bricht Panik in der „Baracke“ aus. Umgehend wird ein Brandbrief an die Adressaten des parteieigenen Artikeldienstes verfaßt („Achtung, Achtung! Wichtige EIL- Mitteilung“).

Die Hektik ist mehr als verständlich: Per Diskette hat die Bonner Redaktion die sozialdemokratischen Betriebs-, Orts- und Stadtteilzeitungen der Bundesrepublik nicht nur mit der neuesten Parteipropaganda munitioniert, sondern auch den häßlichen Computervirus „Form“ an der SPD-Basis verbreitet – rund 1.500mal. „Im Superwahljahr 1994“, beteuern die mißratenen Exemplare, „wird auch der Artikeldienst mehr leisten.“

Die Verwirrung ist beträchtlich. Ob es sich vielleicht um einen Sabotageakt der christdemokratischen Wahlkampfkonkurrenten handelen könne, kabelt ein Betroffener süß-sauer aus der Provinz ins Headquarter der Scharping-Partei. Dort kämpft nicht nur der Artikeldienst mit dem Virus: Auch Rechner der parteinahen Friedrich-Ebert- Stiftung, der Druckerei und der Bundestagsfraktion befinden sich im „Form“-Tief.

Wie eine Sprecherin des Parteivorstandes mitteilt, zog man sich den Computerkiller vermutlich auf dem Wiesbadener Parteitag im November zu. Zwar heißt es in der „Baracke“, der Fiesling habe keinerlei Schaden hinterlassen. Der Schein aber kann trügen, wie Fachleute berichten: Der 512 Byte große Störenfried beläßt befallene Dateien vermeintlich unverändert, was manches Virensuchprogramm überfordert – um die Software anschließend in aller Ruhe zu verändern, zu überschreiben oder zu zerstören.

Scharpings Wahlkampfstrategen im virtuellen Koma? Aufs neue droht den Köpfen auf der SPD-Kommandobrücke Ungemach gerade dann, wenn sie besonders gefordert sind. Zumindest vor unüberlegten Schnellschüssen scheinen die Sozialdemokraten gefeit: „Form“ nämlich macht die Arbeitsabläufe von Computern gaaanz laaangsaaam.

Der hauseigene EDV-Dienst arbeitet daran. Bernd Neubacher