In Japan siegen doch noch die Reformer

■ Kompromiß rettet japanischen Premier

Tokio (taz) – Nach einer sechsjährigen Debatte über Demokratie, Wirtschaft und Korruption hat Japan zu einem neuen politischen Konsens gefunden. Die Konsequenzen reichen von der Entstehung eines neuen Parteiensystems bis zur größeren Trennung zwischen Politik und Wirtschaft. Regierung und Opposition erreichten am späten Freitag abend in Tokio einen bis zuletzt nicht mehr erwarteten Kompromiß, der das Land den weitreichendsten politischen Reformen seit dem Zweiten Weltkrieg unterwirft. Der gestern in mehrstündigen Gipfelgesprächen zwischen Premierminister Morihiro Hosokawa und Oppositionschef Yohei Kono ausgehandelte Gesetzentwurf sieht die Einführung eines neuen Mischwahlrechts aus Mehrheits- und Verhältniswahl vor und begrenzt Parteispenden. Das Gesetz, das in anderer Form noch vor einer Woche im Tokioter Oberhaus scheiterte, soll schon heute dem Parlament erneut vorgelegt und verabschiedet werden.

„Bei der Politik ist es wie beim Fußball“, frohlockte Premierminister Morihiro Hosokawa. „Man muß in der letzten Minute noch ein Tor schießen.“ Tatsächlich war der erst sechs Monate amtierende Regierungschef von den meisten Beobachtern bereits abgeschrieben worden. Aber auch die Regierung mußte eine Niederlage hinnehmen. In dem Kompromiß mit der LDP scheiterte vor allem das Spendenverbot für Politiker. Doch nachdem zwischen 1989 und heute bereits drei Premierminister an den Reformen scheiterten, winkt Hosokawa nun ein historischer Erfolg. Sein Kunststück bestand darin, auch solche Parlamentarier für das Gesetz zu gewinnen, die aufgrund einer neuen Wahlkreisaufteilung zwischen Stadt und Land kaum mehr Hoffnung auf eine Wiederwahl haben. Georg Blume