Tiefgründige Verstrickungen

■ Der vierte Brückenschlag in den Kammerspielen

Das Motto der sonntäglichen Podiumsdiskussion zwischen den Historikern Julius H. Schoeps und Moshe I. Zimmermann in der Reihe „Brückenschlag“ ist natürlich keine Frage, die man in der kurz bemessenen Zeit von rund eineinhalb Stunden beantworten kann: „Wird es in Zukunft wieder ein deutsches Judentum geben?“ Dahinter steht die Kontroverse, die insbesondere nach den letzten, hiesigen rechtsradikalen Vorfällen in Israel wieder verstärkt geführt wird: Wie können Juden im Land ihrer Mörder leben? So kam es nicht zu einer ergebnisorientierten Diskussion, sondern man bemühte sich von der jeweiligen Warte aus um die Vermittlung von Positionen, oft in Form der Nennung grundlegender Thesen, die eigentlich den Unterbau der Diskussion repräsentieren sollten.

In Israel werte man den Rechtsdruck teilweise als eine Art Bestrafung deutscher Juden, für die „Verfehlung, in Deutschland zu leben“, so Zimmermann, der obige Extremposition zur Diskussion stellte, ohne sich als ihr expliziter Verfechter darzustellen. Antisemitismus sei, entgegnete Schoeps, seines Zeichens Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien in Potsdam, allerdings keineswegs durch die Beschränkung jüdischen Lebens ausschließlich auf Israel zu bezwingen. Die Tatsache, daß beispielsweise in Polen ein bedenkliches Maß an antisemitischen Strukturen vorhanden ist, trotz vergleichsweise wenig dort ansässiger Juden, könnte diese Vermutung bestätigen.

Das Resultat des von Spiegel-Redakteur Dieter Wild geleiteten Gesprächs, das über alle Erwartungen hinaus gut besucht war, manifestierte sich schließlich mehr in der Darstellung von Empfindungen und Argumenten, die helfen können, tiefe emotionale Verstrickungen ein wenig transparenter zu machen, ohne ihnen einen politischen Handlungscharakter zu geben. Selbst wenn Teilaspekte der Problematik äußerst schwer vermittelbar scheinen, ein Brückenschlag fand statt. Jan-Christoph Wolter