Alp und Schlummer

■ Musikhalle: Konzert der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen

Wieder einmal und unverdient spielte die Bremer Deutsche Kammerphilharmonie in Hamburg vor leergefegten Rängen. Denn ohne Übertreibung darf man es als eines der besten europäischen Kammerorchester bezeichnen. Unter dem Motto „Nacht“ spielte das Orchester am Freitag abend Werke von Dvorák, Schoeck, Rihm und Schönberg.

Die Wahl Jirí Belohláveks zum Gastdirigenten erklärte sich an diesem Konzertabend allerdings nicht. Sperrig wie die Ausführungen eines Signallotsen wirkten seine Dirigierbewegungen, die bei Rihm einigermaßen störten und die Musiker mehr vom Spiel ablenkten als es motivierten. Anders bei den emotional-melodischen Werken von Dvorák (Nokturno H-Dur) und Schönberg (Verklärte Nacht), die sich musikalisch nicht fremd sind. Dort entlockte Belohlávek dem Orchester expressive Energien.

Eine langweilige Schweizer Sommernacht, bevölkert mit dö-senden Personen, die von trägen Motten umkreist werden, muß Othmar Schoeck wohl zur Komposition seiner Sommernacht op. 58. angeregt haben. Ländliche Melodien in schläfriger Dramaturgie versetzten das Publikum in Schlummer. Trotz dieses Mankos ließen sich die Kammerphilharmoniker nicht ins Mittelmaß hinabreißen, der schöne Klang blieb konstant.

Wolfgang Rihm, der Telemann der Neuen Musik, schreibt Musik am laufenden Meter. Manchmal ist auch ein Stück raffinierter Wertarbeit dabei. Nachtordnung – 7 Bruchstücke für 15 Solostreicher – gehört zu diesen raren Kleinoden. Ist bei Schoeck und Dvorák die Nacht ein Zustand der Erinnerung und der Unbeschwertheit, begegnet uns bei Rihm das Musikprogramm einer Schlafstörung: Wild aufpeitschend gestikulierende Fragmente, die von der bohrenden Unerbittlichkeit alptraumhafter Erinnerungen berichteten. Heimtükkisch ist die Nacht und einsam. Nach der Pause inszenierten die Kammerphilharmoniker Schönbergs „Verklärte Nacht“ als spätromantisches Beziehungsidyll in bester Manier. Zart, zuweilen wild und voller Schmacht „erzählte“ das Orchester die Geschichte eines unehelichen Kindes, das der Liebe eines Paares die Verklärung gibt.

Sven Ahnert