Langer Arm der Polizei in die Sozialämter

■ Innensenator Heckelmann will die Sozial- und Arbeitsämter zur Amtshilfe zwingen / Sozialsenatorin Stahmer übergangen

Die Sozial- und Arbeitsämter sollen künftig zur Ergreifung von polizeilich gesuchten Sozialhilfeempfängern beitragen. Darauf zielt ein Antrag von Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) im Bundesrat ab, der von der Mehrheit der Ländervertreter im dortigen Innenausschuß bereits gebilligt wurde. Bekannt wurde Heckelmanns Vorstoß erst in der vergangenen Woche, als der Bremer Datenschutzbeauftragte Stefan Walz Protest einlegte. Der Alleingang des Innensenators birgt Zündstoff für die Große Koalition und wird heute die Staatssekretärsrunde und am Dienstag die Senatssitzung beschäftigen.

Der Bundesrat wird kommenden Freitag über den Entwurf abstimmen. Danach sollen die Ämter der Polizei und dem Staatsschutz nicht mehr nur Namen und Anschriften von Sozialhilfeempfängern mitteilen, sondern auch deren „tatsächlichen Aufenthaltsort“. Hinter dieser auf den ersten Blick harmlosen Formulierung verbirgt sich nach Ansicht des Bremer Datenschutzbeauftragten Stefan Walz folgendes: Die Polizei könnte den Sozialämtern und den Arbeitsämtern künftig Listen von gesuchten Personen vorlegen, bei deren Erscheinen die Sachbearbeiter sofort die Polizei benachrichtigen müßten. Damit werde jedoch das „Sozialgeheimnis“ verletzt, vertritt Walz.

Die Berliner Datenschützer teilen die Bedenken ihrer Bremer Kollegen. „Wir haben den Innensenator in einem Schreiben dringend gebeten, den Antrag vor der Bundesratsabstimmung am 4. Februar nochmals zu überdenken und die Amtshilfevorschriften des Sozialgesetzbuches nicht mit der Stimme Berlins zu verschärfen“, erklärte der stellvertretende Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix gegenüber der taz.

Hintergrund des Heckelmann- Vorstoßes ist ein Urteil des Kammergerichts. Dieses sprach vor einiger Zeit den Direktor eines Arbeitsamtes frei, der eine Angestellte angewiesen hatte, einem Amtshilfeersuchen der Polizei nicht nachzukommen. Die Polizei wollte einen Handtaschen-Räuber beim Besuch des Arbeitsamts stellen. Das Kammergericht urteilte, der Arbeitsamtsdirektor habe sich zwar „objektiv rechtswidrig verhalten“, sich aber in einem „unvermeidlichen Verbotsirrtum“ befunden. Der Angeklagte hatte sich auf die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs bezogen, wonach eine Amtshilfe nur auf die Mitteilung der Postanschrift beschränkt ist. Diese Rechtslücke will Innensenator Heckelmann nun schließen.

Im Schulterschluß der CDU- Länder wollte Bayern im Bundesrat noch einen Schritt weiter gehen: der Polizei sollte sogar per Computer der klammheimliche On-line-Zugriff auf die Daten der Sozial- und Arbeitsämter erlaubt werden. Dafür aber gab es im Innenausschuß des Bundesrats keine Mehrheit. Ob Berlin diesem Antrag zustimmte, ist gegenwärtig nicht bekannt.

Daß Heckelmann bei seiner Bundesratsinitiative entgegen den Gepflogenheiten seine Senatskollegin Ingrid Stahmer übergangen hat, dürfte in der Koalition ebenfalls für Unmut sorgen. „Die Sozialsenatorin ist daran nicht beteiligt worden“, stellt Rita Hermanns, Sprecherin der Sozialsenatorin, Stahmer fest. In der Sozialverwaltung werde die erweiterte Amtshilfe abgelehnt, „im Haus sind alle ganz empört“.

Der Sprecher des Innensenators, Hans-Christoph Bonfert, konnte dagegen „kein Problem“ erkennen. Schließlich sei jeder Bürger verpflichtet, der Polizei Straftäter zu melden, da sei es doch „logisch“, daß die Sozialämter dies auch tun. Dorothee Winden