Mexikos Regierung akzeptiert EZLN-Forderungen

■ Tagesordnung für direkte Gespräche / Präsident Salinas: „Nur lokales Problem“

Mexiko-Stadt (taz) – Regierung und EZLN-Guerilla haben sich am Wochenende auf eine Tagesordnung für direkte Verhandlungen geeinigt. Der Unterhändler der Regierung, Manuel Camacho Solis, verkündete, die Regierung habe wesentliche Forderungen der Guerilla erfüllt.

Die von der EZLN vorgeschlagene Aufteilung in wirtschaftliche, politische, soziale und militärische Verhandlungsthemen wurde von Camacho Solis grundsätzlich akzeptiert. Erst an fünfter Stelle ist die Niederlegung der Waffen „mit vollen Garantien“ vorgesehen, gefolgt von „Versöhnung“ und „Rückkehr zur Arbeit“. Schließlich sollen sich die Aufständischen ins politische Leben eingliedern.

Als erste konkrete Ziele nannte Camacho Solis nicht nur die Freilassung aller unter EZLN-Verdacht Festgenommenen – die ersten 38 mutmaßlichen Guerilleros waren am Freitag gegen Kaution aus dem Hauptgefängnis von Tuxtla Gutiérrez entlassen worden –, sondern auch die „Revision“ aller zweifelhaften Prozesse und Urteile gegen „sozial engagierte“ Indianer in Chiapas. Ob der seit fast vier Wochen entführte General Absalón Castellanos – nach Aussage der Guerilla die einzig verbliebene Geisel – freikommt, wird „aus Sicherheitsgründen“ weiterhin geheim verhandelt.

Mittlerweile hat die Generalstaatsanwaltschaft des Militärs angekündigt, Ermittlungen gegen die Militärs einzuleiten. denen von verschiedenen Menschenrechtsorganisationen vorgeworfen wird, fünf Gefangene in Ocosingo hingerichtet zu haben.

Währenddessen versicherte Präsident Salinas der im schweizerischen Davos versammelten internationalen Wirtschaftselite, daß es sich bei der Chiapas-Krise lediglich um ein „lokales Problem“ handele. Der Neujahrsaufstand sei zudem „keine Indianerrevolte“, sondern zeige „nur die Beteiligung einiger Indios an bewaffneten, gut trainierten Gruppen mit radikaler Ideologie“, erklärte das Staatsoberhaupt am Ende seiner halbstündigen Ausführung über den mexikanischen Erfolgskurs; besonders hervorgehoben hatte Salinas dabei „das gute Funktionieren der Sozialpolitik, nach Jahrhunderten sozialer Ungleichheit.

Um die „demokratische“ Durchführung der für den kommenden August angesetzten Präsidentschaftswahlen auch tatsächlich zu gewährleisten, war am vergangenen Mittwoch erstmals ein ungewöhnlicher Parteienkonsens zustande gekommen: praktisch alle politischen Parteien hatten ihre Unterschrift unter eine Verpflichtungserklärung „für saubere Wahlen“ gesetzt. Nach Einschätzung politischer Beobachter ist damit die Möglichkeit für eine erneute Wahlreform eröffnet; seit der „Scheinreform“ im vergangenen Jahr fordern die Oppositionsparteien die Einsetzung einer regierungs- und parteiunabhängigen Wahlkommission und die gleichmäßige Verteilung von Wahlkampfgeldern und Sendeminuten. Selbst der PRD-Kandidat und scharfe PRI-Widersacher Cuauthémoc Cárdenas lobte den überparteilichen Pakt „als historische Chance“: nie sei man in Mexiko „so nah an einer Garantie für einen sauberen Wahlprozeß“ gewesen – und dies sei bekanntlich auch eine der Hauptforderungen der Zapatistenguerilla.

Ob das zapatistische Fieber ansteckend ist, darüber wird seit Wochen spekuliert im Lande. Erste Anzeichen dafür meldete am Samstag die Tageszeitung Reforma: verschiedene Bauern aus dem Bundesstaat Guerrero berichteten von Aktivitäten von „etwa 40“ bewaffneten Personen, die „keinesfalls Polizisten“ gewesen seien. Und auch in den Bergen des benachbarten Oaxaca waren AnwohnerInnen zufolge rund 60 Guerilleros gesichtet worden. Zwei Polizeihubschrauber starteten daraufhin zum Erkundungsflug über dem angezeigten Gebiet – bislang ohne Ergebnis. Anne Huffschmid