„Stützstrümpfe“ in den schwedischen Reichstag?

■ Neugegründete Frauenpartei mit Chancen für die Wahlen im Herbst / Umfragen: 40 Prozent Zustimmung / Hauptziel: Möglichst schnell überflüssig werden

Stockholm (taz) – Wenn die WählerInnen mitspielen, wird Schweden im nächsten Herbst nach Island das zweite europäische Land, in dessen Parlament Vertreterinnen einer Frauenpartei sitzen. Am Wochenende beschloß die landesweite Frauenbewegung „Stützstrümpfe“, unter dem Namen „Frauenliste“ eine Partei zu gründen und in den nächsten Wochen die notwendigen formalen Voraussetzungen für eine Registrierung und die Teilnahme an Wahlen zu schaffen.

Schon lange hatten verschiedene Fraueninitiativen über die Frage einer Frauenpartei diskutiert. Vor einigen Monaten war unter großem Medienrummel ein erster Versuch einer lokalen Frauengruppe gestartet worden: Deren unfertige Konzeption unter dem Namen „Frauenpartei“ kam allerdings nicht aus den Startlöchern – mittlerweile erfüllt sie zwar die Voraussetzungen für eine Registrierung, ihr fehlt aber das, was ein Vorteil der „Frauenliste“ zu werden verspricht: ein kräftiger Anschub vor allem in den schwedischen Medien durch bekannte Namen.

Ein umfangreiches Aufgebot prominenter Frauen aus allen Bereichen von Kultur, Wirtschaft und Medien hat schon bislang der linksgerichteten und eher lockeren „Stützstrümpfe“-Kette einen Namen gemacht, wenn sie sich zu frauenspezifischen Themen in die politische Diskussion einschaltete. Zur ersten Vorsitzenden gewählt wurde die populäre Historikerin Maria-Pia Boethius, die sich aktuell vor allem in der Anti-Rassismus-Debatte hervorgetan hat. War sie bislang eher gegen eine spezielle Frauenpartei, so begründet sie ihren Meinungswandel mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der schwedischen Regierung, die in den Zeiten der Wirtschaftskrise vor allem die Frauen getroffen hat. Keine der bestehenden Parteien habe sich ihrer Meinung nach für die Probleme der Frauen ausreichend eingesetzt.

Nach einer ersten programmatischen Konzeption will sich die Frauenpartei aus „großen“, aber nicht frauenspezifischen Fragen, wie etwa EG-Beitritt und Sicherheitspolitik, heraushalten und sich gezielt um Frauenfragen kümmern. Männer sollen nicht nur als Wähler, sondern auch als Mitglieder willkommen sein. Die Partei will, so Maria-Pia Boethius, vor allem eines: sich so schnell wie möglich wieder überflüssig machen, „denn eigentlich ist es unser Ziel, daß die Frauenfragen von den übrigen sieben Parteien zum Thema gemacht werden“.

Eine aktuelle Meinungsumfrage hat ergeben, daß sich 40 Prozent der SchwedInnen die Abgabe ihrer Stimme für die Frauenpartei vorstellen können. Die Umweltpartei „Die Grünen“ und die rechtspopulistische „Neue Demokratie“ hatten jeweils mit wesentlich niedrigeren Sympathiezahlen in derartigen Umfragen den Sprung über die Vierprozenthürde in den schwedischen Reichstag geschafft. Reinhard Wolff