Landgericht bestätigt Vermieterwillkür

■ Räumungsurteil wegen angeblicher Beleidigung Amtsgerichtsurteil aufgehoben / Illegale Zweckentfremdung

Erneut hat das Berliner Landgericht ein Amtsgerichtsurteil im Sinne der Hauseigentümer gekippt. Das iranische Künstlerehepaar Dabui wurde gestern von der 61. Kammer unter Vorsitz von Richter Siegfrid zur Räumung ihrer Wohnung in Charlottenburg verurteilt. Die Räumungsfrist für die Dabuis, die seit 30 Jahren in der Wohnung leben, wurde auf den 31. Mai dieses Jahres festgelegt.

Grund für den Richterspruch war nach Angaben der Kammer die „erwiesene Tatsache“, wonach Frau Dabui den Eigentümer der Lindenallee 28, Gerd Lehmann, als „schwule Sau“ beschimpft habe. Darüber können die Dabuis freilich nur lachen, schließlich haben die Filmemacher selbst viele Schwule im Bekanntenkreis. Das Amtsgericht Charlottenburg hatte die Räumungsklage Lehmanns am 10. November 1992 abgelehnt.

Hauswirt Lehmann beruft sich bei seiner Behauptung insbesondere auf seinen ehemaligen Haushandwerker Kohler als Zeugen. Der jedoch verweigerte seine Aussage, so daß Lehmann nur seinen Sohn als „Zeugen vom Hörensagen“ auf die gewünschte Aussage festnageln konnte. Kohler selbst, berichtet dagegen Mohamed-Reza Dabui, habe seinem Anwalt sogar versichert, daß Frau Dabui die beleidigenden Worte nicht geäußert hätte. Der Anwalt selbst war vor dem Landgericht bereit gewesen, dies seinerseits als „Zeuge vom Hörensagen“ zu bekunden.

Eine Urteilsbegründung wurde gestern nicht vorgetragen. Der vertretende Richter der Kammer, Dr. Schwarz, war sich allerdings sicher, daß der inkriminierte Satz „zweifelsfrei“ erfolgt sei. Auf eine Zeugenaussage Kohlers, so Schwarz weiter, habe man verzichten können, weil davon auszugehen sei, daß jener aufgrund seiner Kündigung ohnehin nicht für Lehmann ausgesagt hätte.

Das verwundert um so mehr, als Kohler Ende 1992 bei der Polizei ausgesagt hatte, daß Lehmann ihn beauftragt habe, die Dabuis für 20.000 Mark umzubringen. Ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen Lehmann wurde von der Statsanwaltschaft im April 1993 jedoch eingestellt. Begründung: Der Beschuldigte sei „nicht mehr auf das Thema zurückgekommen“.

Die mit dem gestrigen Urteil endende Verhandlung war bereits die 60. Abmahnung oder Kündigung gegen die Dabuis. Die Gerichte hatten sich unter anderem mit so grotesken Fragen zu beschäftigen, ob ein angebliches „bewußtes Anrülpsen“ eine Kündigung rechtfertige. 14 Wohnungen, so die Dabuis, habe Lehmann durch seine Schikanen und ausländerfeindlichen Praktiken bereits mieterfrei bekommen und in Gewerberäume umgewandelt. Aus diesem Grunde prozessiert auch das Bezirksamt Charlottenburg gegen Lehmann: „Eine Zweckentfremdungsgenehmigung liegt nicht vor“, sagte Amtsleiter Paul zur taz. Der Bezirk gehe nach wie vor davon aus, daß es sich um Wohnraum handle, und werde dies entsprechend durchsetzen, versprach Paul. Uwe Rada