Beim DGB geht Frau längst nicht mehr vor

■ Gewerkschaft plant Einsparungen und Einschränkungen im Frauenbereich

Köln (taz) – „Frau geht vor“, so lautete noch im letzten Jahr eine DGB-Kampagne. Doch innerhalb der Dachorganisation der Gewerkschaften geht Frau längst nicht mehr vor. So plant man(n) im DGB-Bundesvorstand seit geraumer Zeit, die eigenständigen Frauenstrukturen der Gewerkschaftsdachorganisation abzubauen. Manche halten sie gar für gänzlich überflüssig. Im Oktober vergangenen Jahres protestierte die DGB-Bundesfrauenkonferenz heftig dagegen. Nun beginnt der DGB-Bundesvorstand damit, Nägel mit Köpfen zu machen: Frauenpolitik gehört nicht zu den Kernaufgaben des DGB. Im Zuge der „DGB-Reform“ soll sie „anders, vor allem effektiver strukturiert“ werden.

Auf der jährlichen Klausurtagung zur Grundsatzdebatte berieten die Vorsitzenden der Einzelgewerkschaften die politische Lage. Der DGB, so der Bundesvorstand, will „neue Antworten auf die wirtschaftliche, soziale und gesellschaftliche Entwicklung“ geben und für die „Reform dieser Gesellschaft“ eintreten. Dazu sollen Kompetenz, Profil sowie Handlungsfähigkeit gestärkt und reformiert werden.

Zu den Kernaufgaben zählt man(n) im Bundesvorstand Wirtschafts- und Strukturpolitik, Sozial-, Bildungs-, Gesellschafts- und internationale Politik. Die Frauen- und Gleichstellungspolitik, solle zwar „nicht wegfallen“, sie zähle jedoch zu jenen Bereichen, die „schlanker und effektiver“ werden sollen. Denn Frauenpolitik, so der DGB-Bundesvorstand weiter, gehöre zu jenen Politikfeldern, die außerhalb „der Prozesse liegen, in denen heute Politik wirklich gestaltet wird“.

„Reform“vorstellungen, die im Salto rückwärts eigenständige Frauenarbeit ganz abschaffen wollten, haben sich zwar als unrealistisch erwiesen. Für die Gewerkschafterinnen im DGB erweisen sich die DGB-Reformpläne dennoch als gravierend. Denn es ist mit spürbaren Stelleneinsparungen zu rechnen, zum Beispiel in der Abteilung Frauen beim DGB- Bundesvorstand. Darüber hinaus wird die Eigenständigkeit der Frauenarbeit vermutlich ebenso empfindlich beschnitten wie die Eingriffsrechte von Frauen in die Gesamtorganisation. Die genauen Einzelheiten beschließt der DGB- Bundesvorstand auf seiner heutigen und morgigen Sitzung.

Nach Lage der Dinge ist zu erwarten, daß die „Kreisfrauenausschüsse“ an der Basis künftig nicht mehr verpflichtend sind und damit weitgehend gestrichen werden. Turnusmäßige Landes- und Bundeskonferenzen sollen entfallen. Als Ersatz visiert man(n) Landes- und Bundestreffen in unverbindlichen „Projektformen“ an. Die „Betreuung“ der Frauenarbeit soll durch Mitglieder der DGB-Vorstände erfolgen.

Das bedeutet Minimierung, Randständigkeit, Unverbindlichkeit und Entmündigung der Frauenarbeit. Im Zeitalter der angeblichen Emanzipation der Frau wäre das Gegenteil zu erwarten gewesen. Damit reiht sich der DGB in die Reihe derer ein, die die ungeliebte Herausforderung durch Frauen in dem Moment wieder fallenlassen, in dem Zeitgeist und nachlassender innerorganisatorischer Druck es zulassen.

Auf dem 15. ordentlichen DGB-Kongreß vom 12. bis 18. Juni 1994 in Berlin werden angesichts der großen Finanzkrise des DGB die wesentlichen organisatorischen Entscheidungen fallen. Ein neues Grundsatzprogramm soll zwei Jahre später verabschiedet werden. In Anträgen der Bundesfrauenkonferenz fordern die DGB-Frauen mehr eigene Rechte und Ressourcen für die eigene Arbeit und mehr Eingriffsrechte in die Gesamtorganisation. Dazu gehören eigene Antragsrechte, Beteiligung bei allen frauenrelevanten Fragen, besondere Rederechte bis hin zu Vetorechten gegen sie elementar betreffende Entscheidungen, Sitz- und Stimmrecht in den Vorständen sowie Quotierungen mindestens entsprechend dem jeweiligen Mitgliederanteil. Doch diese Anträge stellt der Bundesvorstand erst gar nicht in Rechnung.

Frauen des DGB-Landesbezirks Hessen wollen nun zu Protesten auffordern: Frauen sollen einen Teil ihrer Mitgliedsbeiträge stornieren. Vielleicht tun sie sich mit der DGB-Jugend zusammen, die ebenfalls zögerlich zu protestieren beginnt, weil ihr gleiches wie den Frauen droht. Mechtild Jansen