Europas Grenzen bleiben noch geschlossen

■ Der freie Personenverkehr in Europa scheitert an der Software für den Zentralen Überwachungscomputer in Straßburg / Durchbruch vielleicht im Sommer

Brüssel (taz) – Die für den 1. Februar geplante völlige Abschaffung der Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Frankreich und den Beneluxstaaten wird aufgrund eines Computerfehlers auf irgendwann verschoben. Schuld ist die Software, sagen die fünf Innenminister, schuld sind die nationalen Kriminalämter, sagt der Software-Hersteller, und die französische Tageszeitung Le Monde ist davon überzeugt, daß der Pariser Innenminister Pasqua die Panne herbeigesehnt hat.

Vor genau zehn Jahren billigte das Europäische Parlament einen Vertragsentwurf, der den freien Personenverkehr in der gesamten EG vorsah. Doch die Innenminister der Mitgliedsländer fanden ein Europa ohne Grenzen viel zu gefährlich und einigten sich auf einen Kompromiß. Danach sollten die Schlagbäume verschwinden und dafür als Ausgleich die Außengrenzen verstärkt, die Asylpolitik vereinheitlicht und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Polizei verbessert werden.

Als Kernstück der kriminalistischen Gefahrenabwehr wurde ein Internationales Fahndungssystem in Auftrag gegeben, mit einer Computer-Zentrale in Straßburg und elektronischen Verbindungen in die Kriminalämter der Mitgliedsstaaten. Den Engländern und den Iren war selbst dieser Krämervertrag noch zu gefährlich, und auch die Dänen wollten lieber nicht mitmachen. Übrig blieben die fünf Schengen-Länder, benannt nach dem Ort der Vertragsunterzeichnung in Luxemburg.

Schwierigkeiten hatten aber auch die fünf Kernländer. Das grenzfreie Mini-Europa wurde immer wieder verschoben, weil die Regierungen meinten, sie seien noch nicht so weit. Unter Verweis auf die Schengener Anforderungen haben fast alle Länder erst noch ihre nationalen Gesetze verschärft. Frankreich hat einige Verfassungsartikel verändert, Deutschland das Asylrecht kastriert. Aber die Grenzkontrollen wird es weiter geben. Der französische Innenminister, ein anerkannter Skeptiker des freien Personenverkehrs und zuständig für die Zentrale in Straßburg, wäscht seine Hände in Unschuld: Die Software könne die Verbindung zwischen Marseille und Frankfurt und den anderen Außenstellen nicht herstellen. Die Software- Firma, ein Euro-Mix, an dem auch Siemens beteiligt ist, sucht den Fehler dagegen lieber bei den Außenstellen, bei den nationalen Kriminalämtern. Die sind sowieso nicht begeistert, denn immerhin seien bei den ganz normalen Kontrollen jedes Jahr um die 50.000 gesuchte Gesetzesbrecher aufgegriffen worden. Ob mehrheitlich Drogendealer oder Steuerflüchtige, wurde nicht mitgeteilt. Trotzdem soll der Software-Fehler bis zum Sommer behoben werden, damit zum Urlaubsverkehr die Grenzen wegfallen können. Alois Berger