Kohl vom Saum der Geschichte gestreift

■ Gespräch mit Clinton über ein Nazi-Opfer

Washington (dpa/taz) – Bundeskanzler Kohl hat bei seinem Washington-Besuch die USA aufgerufen, sich „als einzig verbliebene Weltmacht“ Osteuropas anzunehmen. Bei einem Treffen mit Präsident Clinton im Weißen Haus war die Lage Rußlands Thema. Es kommt laut Kohl jetzt darauf an, „den Weg Rußlands und der anderen Reformstaaten zu einer stabilen Demokratie zu unterstützen“.

Vermutlich wird der zukunftsorientierte Kohl von Clinton aber auch auf die immerwährende Vergangenheit angesprochen. Der US-Amerikaner Hugo Princz ist einer von weltweit Hunderttausenden, deren Anträge auf Entschädigung von Verfolgten des NS-Regimes seit 1969 konsequent abgelehnt werden: damals amnestierte sich die Bundesregierung per Auslaufen des „Entschädigungsgesetzes“ selbst. Das US-Repräsentantenhaus forderte Clinton auf, bei Kohl den Fall des amerikanischen Juden Princz anzusprechen, der die Bundesrepublik verklagt hat. Princz will gegen die Bonner Regierung vor den US-Gerichten eine Entschädigung von 17 Millionen Dollar erstreiten.

Princz war 1942 mit seiner achtköpfigen Familie in der Slowakei in die Hände der SS geraten. Er überlebte als einziger die Konzentrationslager, weil er von den IG Farben in Birkenau und später bei Messerschmitt in Dachau als Zwangsarbeiter eingesetzt wurde. 1945 siedelte er in die USA.

In erster Instanz urteilte ein Bezirksgericht in Washington, angesichts der Unmenschlichkeit des Nazi-Systems sei es „schändlich“, wenn sich Bonn formelle Gesichtspunkte wie die „Verjährungsfrist“ beziehungsweise die staatliche Immunität zu eigen mache; jetzt muß das Berufungsgericht entscheiden. Bonn hat Princz vorschlagen, ihn aus dem 1992 errichteten „Härtefonds“ für Nazi-Opfer zu entschädigen. Danach könnte er eine Abfindung von 5.000 Mark sowie ab 1995 eine monatliche Rente von 500 Mark erhalten – was der 71jährige ablehnte. Seite 9