Sanssouci
: Nachschlag

■ "Kein Asyl" - Aufführung der Berliner Compagnie

Kein deutscher Januar vergeht seit '33, an dem nicht der erinnerungsträchtige Brandgeruch historischer Schmach in der Luft liegt. Das Publikum der Vorstellung „Kein Asyl“ am 30. Januar im Theater am Halleschen Ufer wurde Zeuge einer Flüchtlingslagernacht im Leben des Asylsuchenden Jonas Gamta (Lee Gates). Brandgefahr durch marodierende Skins liegt hier in der Berliner Luft. Dabei fängt alles ganz harmlos an: Der graubekittelte Pförtner (Albrecht Piper) nimmt – mitten in der Zuschauertribüne stehend – Maß für den neuen Sicherheitszaun des Flüchtlingslagers. Nicht Angriffen von Inländern soll hier Einhalt geboten werden, sondern eigentlich den Verstößen gegen die Lagerordnung durch die Insassen. Doch dann erweist es sich doch in anderer Richtung als sinnvoll. Die angstvolle Nacht übersteht der von Abschiebung bedrohte Äthiopier Gamta in der Solidargemeinschaft einer Autonomen (Ina Herr) und des selbsternannten und herbeigeeilten Sicherheitswachmannes (Gerhard Fries).

Frech und ungestüm ist diese Aufführung in der Berliner Compagnie in der Regie von Elke Schuster. Abgestimmt auf ein jüngeres Publikum, werden Songs mit inhaltlichem Handlungsbezug eingestreut. Warum ausgerechnet ein Asylant aus Afrika? Die Antwort erfolgt über den Hinweis auf die für diesen Kontinent folgenschwere Berliner Konferenz von 1884/85, bei der die Grundsätze europäischer Imperialmächte geregelt wurden. Der traurig-aktuelle Stoff der Asylproblematik ist von leichter Komik durchzogen. Während im Stück der „braune Schoß sich wieder anschickt, fruchtbar zu werden“, organisieren die asylgewährenden „Nachtwächter“ eine Telefonkette. Musikalisch verpackt im Stil einer Fünfziger-Jahre-Werbung mit dem flotten Refrain „Ruf doch mal an“, erzielte diese Szene mühelos die Erheiterung der überwiegend jüngeren Zuschauer. Fast unmerklich, und das scheint mir der gelungene Coup dieses Abends zu sein, wurde hier ein koproduktiver Schulterschluß zwischen jungen Autonomen, akademisierten 68ern und den Bewohnern des als Chaoten- und Pennerbezirks verschrienen Kreuzberg gelehrt. Stefan Wieszner