■ Jürgen W. Möllemann erklärt sich
: Das Stehaufmännchen

Ist da der Wunsch der Vater des Gedankens? Möllemann, Jürgen W., hat uns gestern in bemerkenswerter Offenheit erklärt, daß es der FDP wie der Union ausgesprochen dreckig geht. Die Partei mit den drei Punkten krebst angeblich bei sechs Prozent herum, die CDU/CSU liege gar bei unter dreißig Prozent. Im freien Fall nach unten segelt die FDP, bestätigt der geprüfte Fallschirmspringer unsere kühnsten Träume. Wir vernehmen's mit Freude. Möllemann, dem Absteiger des letzten und Aufsteiger des nächsten Jahres (Wetten werden noch entgegengenommen), schwant Übles für seinen Laden. Wie tief muß die Depression sitzen, wenn schon auf Pressekonferenzen darüber gesprochen wird? Verliert die FDP im Superqualjahr 1994 endlich ihre Rolle als treuloser Mehrheitsbeschaffer und Steigbügelhalter der Regierung? Bleiben von der gelben Gefahr am Ende nur noch die drei Punkte übrig?

Obacht! Der FDP geht es am Ende besser, als es Möllemann darstellt. Damit er wieder „Riesenstaatsmann“ (F.J.S., selig) werden kann, muß er zunächst innerparteilich gegen Kinkel und Solms antreten. Ein schlechtes Umfrageergebnis fällt natürlich nicht auf den NRW-Landesvorsitzenden zurück, sondern auf die Parteispitze in Bonn. Mit seinem Strategiepapier nimmt er zugleich für sich die Rolle des eigentlichen Parteimachers in Anspruch. Dessen Thesen sind zwar nicht mehr als gut verrührte heiße Luft mit Arbeitgeber-Sahnehäubchen garniert, doch zum Wahlkampfbeginn kommt ein solcher Unsinn immer gut an. Zum großen Schlag gegen die FDP-Spitze in Bonn fehlte Möllemann dagegen die Traute. Kein Wort von sozialliberaler Koalition, nur die laue Ablehnung einer Ampelkoalition.

Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt. Die FDP wird, Möllemann hin oder her, wohl auch dieses Jahr gesund und munter überleben. Zu Schwanengesängen besteht ebensowenig Anlaß wie zu Begeisterungsausbrüchen. Möllemann, Du altes Schlitzohr! Wenn die FDP im Sommerloch erst bei 4,9 Prozent angelandet ist, dann kommt Deine Stunde! Auf bald also, wünscht Klaus Hillenbrand