■ Bund und Länder wollen kroatische Flüchtlinge abschieben
: Permanente Selbstblockade

Ist es Dilettantismus? Gedankenlosigkeit? Zynismus? Oder vielleicht alles zusammen? Jedenfalls zieht sich das makabre Schauspiel nun schon fast zwei Jahre hin: Da beraten die Innenminister von Bund und Ländern auf ihren turnusmäßigen Konferenzen über die Zukunft der Kriegsflüchtlinge aus Kroatien – und jedesmal fällen sie denselben Beschluß: Die Flüchtlinge müssen gehen. Kroatien ist ein befriedetes, sicheres Land. Hugh, die deutschen Innenminister haben gesprochen! Nur leider hat das auf dem Balkan wieder kein Schwein gehört. Und so scheitern die längst beschlossenen Ausweisungen an den politischen Bedingungen vor Ort – was die deutschen Innenminister nicht hindert, ihren Beschluß auf der nächsten Sitzung zu wiederholen.

Zuletzt geschah das im November: Da hoben wieder alle Innenminister einmütig die Hand: bis zum 30. April sollen – dieses Mal endgültig, unwiderruflich, allen Ernstes – 100.000 Kroaten nach Hause gehen. Es brauchte zwei Monate und ein lautes Medienecho, bis einige merkten, daß es für viele, die man nach Hause schicken will, kein Zuhause mehr gibt. Also erneutes „Nachdenken“, „Überdenken“, „Zur-Sprache-Bringen“. Dieses Mal nun am 9. Februar in Bonn.

Zwei Jahre haben die Innenminister keinen Gedanken verschwendet, wie eine Rückkehr der Flüchtlinge, wenn man sie denn unbedingt will, auf humane und würdige Art vonstatten gehen kann. Statt dessen wurden absurde Bleibekriterien und Härtefallregelungen entworfen: Abschieberegelungen, die nichts, aber auch gar nichts mit der Situation der Flüchtlinge in ihrer Heimat zu tun haben, dafür viel mit den Steuergroschen in Deutschland. Seit zwei Jahren bekräftigen die Innenminister ihre Beschlüsse und lassen 100.000 Menschen damit in ständiger Unsicherheit und Angst. Doch erst jetzt, wenige Wochen vor dem geplanten Abschiebetermin, wird an Hilfen für die Unterbringung der Rückkehrer gedacht. Mit welch heißen Nadeln diese Aufbauprogramme dann gestrickt werden, in welch undurchsichtige Kanäle die Gelder dann fließen werden, welchem Planungschaos und welcher Schieberei diese Flickschusterei Tür und Tor öffnet – man braucht nicht viel Phantasie, sich das auszumalen.

Es wäre fast ein Wunder, wenn die Innenminister nun am 9. Februar zu einer an der Situation der Betroffenen orientierten Lösung kommen sollten. Und die kann, solange Kroatien Kriegspartei ist und selbst mehr als 500.000 Flüchtlinge versorgen muß, derzeit nur die weitere Bleibemöglichkeit sein. Doch die Innenministerkonferenz wird sich darauf nicht verständigen können. Denn sie praktiziert in Sachen Flüchtlingspolitik eine permanente Selbstblockade. Jeder spielt jedem den Schwarzen Peter zu. Weil die SPD es bei ihrer Zustimmung zum Asylkompromiß verschlafen hat, der Regierungskoalition einen Sonderstatus für Bürgerkriegsflüchtlinge abzutrotzen, können die Innenminister einen weiteren Abschiebestopp nur verfügen, wenn sich alle Länder einig sind – und das sind sie sich so gut wie nie. Vera Gaserow