Von einer zweiten Abschiebung bedroht

■ Von den 2.679 Flüchtlingen, die Deutschland nach Polen abgeschoben hat, haben dort nur 50 einen Asylantrag gestellt

Warschau (taz) – Die polnische Regierung plant, von Deutschland abgewiesene Asylsuchende, die in Polen selbst keinen Antrag stellen oder deren Antrag abgewiesen wird, per Flugzeug in ihr Herkunftsland zurückzuschicken. Dies teilte Polens Innenminister Andrzej Milczanowski der Presse mit. Wie inoffiziell bekannt wurde, ist dies auf zwei Gründe zurückzuführen: auf deutsche Reklamationen, wonach abgewiesene Flüchtlinge in Polen auf freien Fuß gesetzt werden und anschließend wieder in Deutschland auftauchen, und auf die innerpolnische Rechtsprechung, die Internierungen von Ausländern ohne Gerichtsurteil verbietet.

Polen hatte sich vor einem Jahr verpflichtet, Personen, die, aus Polen kommend, illegal die deutsche Grenze überqueren, auch dann zurückzunehmen, wenn sie nicht polnische Staatsangehörige, sondern Bürger von Drittländern sind. Zur Versorgung der Abgewiesenen und zur Modernisierung der Grenzsicherungen hatte Deutschland Polen dafür Unterstützung in Höhe von 120 Millionen Mark gewährt. Nach Angaben Milczanowskis wurden seit Inkrafttreten des Abkommens am 1. Juli 1993 bis 31. Dezember 1993 insgesamt 2.679 Flüchtlinge von Deutschland an Polen überstellt. 975 Personen seien im sogenannten vereinfachten Verfahren abgewiesen worden, deutsche Grenzbeamte hatten sie unmittelbar im Grenzgebiet an den polnischen Grenzschutz übergeben. Diese Zahl liegt weit unter dem zwischen Deutschland und Polen vereinbarten Limit von 10.000 Personen für 1993.

Probleme hatte es bei der Überstellung von Asylsuchenden von Anfang an gegeben, da diese zumeist ihre Papiere vernichten, um ihren Fluchtweg zu verschleiern. Polen dagegen muß nach dem Abkommen nur solche Bürger von Drittstaaten übernehmen, denen nachgewiesen werden kann, daß sie auch aus Polen kommen. Besonders Schlepperbanden sorgen dafür, daß dieser Nachweis oft sehr schwer wird, indem sie ihre Kunden dazu anhalten, alle Hinweise auf ihren Fluchtweg vor Übertritt der Grenze zu vernichten. Nach polnischen Angaben gab es so im letzten Jahr 28 „strittige Fälle“, Bundesinnenminister Kanther wollte bei seinem Warschaubesuch Anfang dieser Woche keine Zahlen nennen.

Oft werden von Deutschland an Polen übergebene Flüchtlinge in Polen freigelassen und versuchen dann erneut, die Grenze illegal zu überqueren. Polens Ausländergesetz sieht zwar bereits seit zwei Jahren Abschiebehaft für Ausländer vor, bei denen der Verdacht besteht, daß sie Polen nicht freiwillig in Richtung Heimatland verlassen. Aufgrund eines vom Parlament bestätigten Urteils des Verfassungsgerichtshofs darf dieser Paragraph bisher aber nicht angewendet werden, da Haft nur von einem Richter, nicht aber im Verwaltungsverfahren angeordnet werden darf. Milczanowski: „In spätestens anderthalb Monaten werden wir so weit sein, daß wir solche Personen per Flugzeug innerhalb von 48 Stunden abschieben können.“

Da die von Deutschland abgeschobenen Flüchtlinge die Hoffnung, doch noch nach Deutschland zu gelangen, nicht aufgaben, haben nur 50 von ihnen in Polen einen Asylantrag gestellt. Insgesamt gibt es in Polen etwa 800 Asylbewerber, von ihnen dürfte rund die Hälfte den Flüchtlingsstatus erhalten. Abschreckend auf die Asylbewerber wirken jedoch auch die „polnischen Verhältnisse“: In Polen werden anerkannte und nichtanerkannte Flüchtlinge in den gleichen Lagern untergebracht. Eine Aussicht auf eine eigene Wohnung haben sie selbst dann nicht, wenn sie anerkannt werden, eine Arbeitserlaubnis erhalten und beginnen zu arbeiten. Auf dem freien Wohnungsmarkt sind Wohnungen für Bezieher von Normaleinkommen unerschwinglich, zu Genossenschafts- und Sozialwohnungen haben Ausländer allenfalls dann Zugang, wenn sie polnische Verwandte haben.

Von den 450 Kriegsflüchtlingen aus Bosnien und Kroatien, die Polen mit UN-Hilfe aufgenommen hat, wollen die meisten aber auch deshalb keinen Asylantrag stellen, weil sie davon Probleme bei der Rückkehr befürchten. Ende 1993 sind die UN-Hilfszahlungen für Jugoslawienflüchtlinge ausgelaufen. Aus Geldmangel bemühten sich Rotes Kreuz und Innenministerium, sie von der Notwendigkeit zu überzeugen, in Polen einen Asylantrag zu stellen. Eine RK-Helferin: „Denn sonst müssen wir sie vor die Tür setzen.“ Klaus Bachmann