SPD macht den Weg für Postreform frei

■ Postgewerkschaft meckert vergeblich / Große Mehrheit der SPD-Fraktion stimmt Einbringung der Postreform in den Bundestag zu / Morgen erste Lesung

Berlin/Bonn (taz/AP) – Die deutschen Postler fühlten sich gestern von den meisten Sozis im Bundestag alleingelassen. Nur 30 Abgeordnete stimmten in der mit Spannung erwarteten Fraktionssitzung grundsätzlich gegen die Postreform II; über 200 hatten prinzipiell nichts gegen die Umwandlung der drei Postbetriebe in Aktiengesellschaften. Noch bis kurz vor der Sitzung hatte DPG-Chef Kurt van Haaren auf die SozialdemokratInnen im allgemeinen und SPD-Chef Rudolf Scharping im besonderen eingeredet, der „ideologischen Leitlinie der liberalkonservativen Regierungskoalition“ zu widerstehen und der Reform die Zustimmung zu verweigern.

Die SPD-ParlamentarierInnen aber mochten sich mehrheitlich nicht der Erkenntnis verschließen, daß die Behördenstruktur der Post nicht unbedingt im Sinne der KundInnen ist. Als Trostpflaster aber versprachen sie der DPG, die Reform in den Ausschüssen noch weiter zu modifizieren. Die Zustimmung im Bundestag, wo das Paket morgen in der ersten Lesung beraten wird, sei noch keineswegs sicher und von gewissen Änderungen abhängig, hieß es.

Die DPG hatte stets argumentiert, daß die Post als Behörde die Aufgabe am besten bewältigen könne. Auf keinen Fall wollte sie zulassen, daß ihre Klientel langfristig nicht mehr in den Genuß der Staatsdienerprivilegien käme. Als eine Reform nicht mehr zu verhindern war, setzte sie auf eine starke Holding als Dach der drei Aktiengesellschaften, die auch das Recht haben sollte, ins operative Geschäft einzugreifen. Dies wurde aber im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens durch eine interfraktionelle Arbeitsgruppe von SPD, FDP und CDU/CSU ausgeschlossen. Da für die Postreform eine Grundgesetzänderung nötig ist, war eine Zusammenarbeit der Regierung mit der SPD schon im Vorfeld unabdingbar.

Zuletzt verwies Gewerkschaftschef van Haaren vor allem auf den Infrastrukturauftrag. Tatsächlich ist dies ein besonderer Schwachpunkt des Gesetzesvorhabens. Zwar soll der Infrastrukturauftrag grundsätzlich im Grundgesetz festgeschrieben werden. Er ist aber nicht genauer definiert. So ist keineswegs gesichert, daß es langfristig einheitliche Preise beispielsweise für Briefe auf dem Land und in der Stadt gibt. Auch eine tägliche Briefbeförderung beispielsweise wird nirgendwo vermerkt. Die politische Ausgestaltung des Infrastrukturauftrags ist unklar. Noch am Montag hatte die SPD durchgesetzt, daß die Aufhebung der Monopole nicht festgeschrieben wird, sondern 1997 neu betrachtet werden muß. Damit wird ein Vorauseilen gegenüber anderen EU-Staaten verhindert. aje