Fenster zum Schafott: „Manhattan Murder Mystery“

„Gutbürgl.“ könnte an ihrer Tür stehen, aber durchs Fenster bei Liptons schaut eine Fratze ins Schlafzimmer: Horror Vacui, ihr werdet euch den Rest eures Lebens miteinander langweilen, sagt sie, ihr werdet nie wieder aufregenden Sex erleben, überhaupt nichts mehr, nur noch Bob-Hope- Filme im Spätprogramm und den Tratsch über die anderen. „Kleinmanns? Denen geht's gut, nur dieser Penisneid! Vor allem ER leidet furchtbar darunter, der arme Kerl!“ Im Grunde beginnt dieser Film im selben Moment wie „Ehemänner und Ehefrauen“, nur daß jetzt alles explodiert statt zu implodieren. Die Protagonisten tragen ihre Panik nicht mehr auf die Couch, ins Sommernachtshäuschen oder ins Kino, sie stürzen sich in kriminalistischen Amateurismus mit der Hysterie von Ertrinkenden, so wie Woody Allen sich ins Genrekino gestürzt hat.

Da treffen sie, Larry Lipton (Woody Allen) und seine Frau Carol (Gott sei Dank Diane Keaton als Ersatzspielerin für Mia „vorwurfsvoll“ Farrow), in letzter Minute auf ein älteres Ehepaar von nebenan, bei denen sie eines abends Puddingtörtchen essen und Briefmarkensammlungen bekucken. Am nächsten Tag ist Frau Lillian hin, Herzversagen. Ehemann Paul will nicht so recht ins Bild des trauernden Witwers passen, und so stürzt sich Carol mit Fistelstimme in die Investigation, zumal sie in Pauls Küchenschrank eine Urne gefunden hat. Ihr alter Freund Ted (Alan Alda, echt suave) spinnt mit ihr mit, auch wenn es ihm nicht ausschließlich um Verbrechensbekämpfung geht. Während der Regen aufs Autodach prasselt, sitzen sie, doughnuts kauend, und beobachten lieber eine „Verdächtige“ als ein Küßchen zu wagen (Larry/Woody weiß Bescheid: „Wenn du eine Affaire mit ihm willst, brauchst du dazu keine Leiche.“). Verfolgungsjagden, Déjà-vus, „grausige Funde“: Na ja, die Sache spitzt sich zu, bläht sich auf; könnte aber zuletzt ein gigantischer Fake, ein Hirngespinst sein. Trotzdem: Irgendwas ist perdu, Pauls Kino zeigt nur noch Retrospektiven, Allens zitiert Hitchcock & Welles, und zum Schluß ist mit der Auflösung eben gar nichts gelöst. In zwei Wochen wird der Ennui wieder da sein. mn/Foto: Verleih