Guerillera Susana, bitte melden!

■ Die Zapatisten und die Presse / Grünes Licht für Verhandlungen in Mexiko

Mexiko-Stadt (taz) – Dem mit Spannung erwarteten „Gipfeltreffen“ zwischen dem Unterhändler der Regierung, Manuel Camacho Solis, und VertreterInnen der indianischen Guerillaorganisation EZLN scheint nichts mehr im Wege zu stehen. Grünes Licht für den Gesprächstermin im Lacandonischen Regenwald hatte die Guerilla in ihrer letzten Pressemitteilung gegeben, die am Dienstag bei verschiedenen Zeitungen eingetroffen war. Darin bestätigt die zapatistische Kommandozentrale, daß „alle entscheidenden Vorbereitungen“ für die erste Verhandlungsrunde getroffen seien. Aufgrund ihrer „Politik der offenen Türen“ seien die Medien dabei grundsätzlich willkommen; explizit eingeladen hatte die EZLN verschiedene mexikanische und US- amerikansche Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen sowie internationale Nachrichtenagenturen.

Nur dem mexikanischen Privatfernsehen will die EZLN die Tür zu dem begehrten Medienereignis verschlossen halten: der berüchtigte Fernsegigant Televisa sei bekannt dafür, die „Informationen nicht zu suchen, sondern zu erfinden und zurechtzuschminken“ – eine Einschätzung, der sich der Großteil der mexikanischen Öffentlichkeit dieser Tage durchaus anschließen dürfte. Und der private Newcommer Azteca habe bei seiner Chiapas-Berichterstattung eigenwillige Recherchemethoden an den Tag gelegt: gegen „Honorare“ sollten einzelne EZLN- KämpferInnen deftige Statements vor laufender Kamera abgeben.

Einen Tag zuvor hatte der Friedensemissär die Einrichtung der ersten beiden militärischen „Grauzonen“ bekannt: beide Armeen sollten sich umgehend aus den angezeigten Ortschaften – San Miguel in der Gemeinde Ocosingo und Guadalupe Tepeyac in Las Margaritas – zurückziehen und so die freie Versorgung der abgeschnittenen Bevölkerung mit Lebensmitteln und Medikamenten ermöglichen.

Beim nördlichen Nafta-Partner gerät die „stille Diplomatie“ der bislang tatsächlich erstaunlich zurückhaltenden Clinton-Regierung zunehmend ins innenpolitische Kreuzfeuer der Kritik. „Konkretere Aktionen“ zur Denunzierung der „nachweislichen“ Menschenrechtsverletzungen durch Armee, Polizei, aber auch die EZLN verlangt beispielsweise die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation „Americas Watch“ von ihrer Regierung. Der angestrebte Frieden dürfe „nicht gleichbedeutend sein mit der Straffreiheit für alle von der mexikanischen Regierung und den Zapatisten verbrochenen Taten“.

Die Watchers werden – neben amnesty international sowie diversen demokratischen Abgeordneten und Institutionen – an einer für Mittwoch angesetzten Anhörung im US-Kongreß zur Chiapas-Krise teilnehmen; eingeladene mexikanische Menschenrechtsaktivisten und Politexperten hatten ihre Teilnahme mit dem Argument abgelehnt, es handele sich um eine innermexikanische Angelegenheit, die auch nur von Mexikanern ausgetragen werden sollte.

Unbestritten ist in Mexiko derzeit die herausragende Rolle vor allem der Printmedien in der brodelnden Debatte um den „Volkskrieg“ im Süden. So spielt sich die Kommunikation mit der Zapatistenguerilla zunehmend auf den Leserbriefseiten der unabhängigen Tageszeitung La Jornada ab: da bittet ein Fotograf um einen exklusiven Fototermin im Regenwald, oder eine parlamentarische Frauengruppe wendet sich an die Guerillera „Susana“, um dieser, sozusagen aus eigener Anschauung, schwesterliche Solidarität im Kampf mit den eigenen Machogenossen zu übermitteln. Auf der anderen Seite erobert der EZLN- Sprecher „Marcos“ mit seinen erfrischend ironisch und gänzlich undogmatisch formulierten Pressemitteilungen immer mehr die Herzen der Jornada-LeserInnenschaft.

Weniger vergnüglich sind allerdings die wüsten Drohungen und Verleumdungen, die dem renommierten Zeitungshaus seit einigen Tagen ins Haus flattern: da wird die gesamte Jornada-Redaktion von einer „Antikommunistischen Front Mexikos“ bezichtigt, sich zum „Sprachrohr der EZLN“ gemacht zu haben; „Ausländern wie Rigoberta Menchú wird mit der Ausweisung und einzelnen MitarbeiterInnen mit dem Tode gedroht sowie „eine exemplarische Bestrafung der Aufständischen“ gefordert. Erst am vergangenen Dienstag hatte sich die Redaktionsleitung entschlossen, die Pamphlete öffentlich zu machen: anfangs hatte man sie nicht recht ernst genommen, ist im Editorial der Zeitung zu lesen. Schließlich aber sei deutlich geworden, daß es sich keineswegs um einen schlechten Scherz handele, sondern um den „gezielten Versuch, unsere Zeitung zum Schweigen zu bringen“ und dies könne noch „sehr viel schwerwiegendere“ Angriffe gegen die Zeitung und ihre MitarbeiterInnen zur Folge haben. Insbesondere die nationale und internationale Öffentlichkeit bittet die Jornada diesbezüglich für die folgenden Tage und Wochen um ihre „verstärkte Aufmerksamkeit“. Anne Huffschmid