Schwarzer König sucht weiße Springer

Südafrikas Armee bezieht Stellung in Township-Kriegszonen – in Erfüllung eines ANC-Wunsches / Würden Soldaten aber auch gegen rebellierende Weiße vorgehen?  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Soldaten der südafrikanischen Streitkräfte, die ein neues Lager vorbereiteten, stellten die Kulisse. Ausgerechnet schwerbewaffnete Polizisten der von ANC-Anhängern ebenso gehaßten wie gefürchteten „Internal Stability Unit“ (ISU) gewährten dem Präsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses, Nelson Mandela, Geleitschutz, als er sich in am Dienstag nachmittag in das Township Kathlehong am Ostrand von Johannesburg wagte. Mandela wollte einen gerade mit Staatspräsident Frederik W. de Klerk ausgehandelten „Friedensplan“ vortragen. Dessen Tenor: Die Elitetruppe ISU muß aus Kathlehong und dem benachbarten Township Thokoza verschwinden, ihre Aufgaben werden von regulären Armee-Einheiten übernommen. Die ANC-Anhänger jubelten, als Mandela ihnen berichtete, daß eine ihrer wichtigsten Forderungen erfüllt worden war. Gestern rückten die ersten Armeesoldaten in die Townships ein und verkündeten als Erfolg, sie hätten Versammlungen von verfeindeten ANC- und Inkatha-Anhängern zur Auflösung bewegen können.

„Kathlehong ist der Schlüssel für friedliche Wahlen“, hatte vor zwei Wochen der respektierte ANC-„Feuerwehrmann“ Mac Maharaj in einem Untersuchungsbericht über die Gewalt in dem Viertel erklärt. Eine Million Menschen leben in dem Gewirr aus einfachen kleinen Häusern, heruntergekommenen Wohnheimen im Kasernenstil und Elendsquartieren wie Phola Park. In einigen Wohnheimen haben sich Mitglieder der konservativen Schwarzenorganisation Inkatha nahezu festungsartig eingegraben. Auf der anderen Seite sind bisher sogenannte „Selbstverteidigungseinheiten“ (SDU) des ANC aktiv gewesen. Zwischen beiden Linien liegt Niemandsland von mehreren hundert Metern Breite voller zerstörter Häuser. Der Polizei wurde vorgeworfen, gemeinsame Sache mit Inkatha zu betreiben. „80 Prozent der Toten, die während der letzten acht Monate der politischen Gewalt in Südafrika zum Opfer fielen, starben in Kathlehong und Thokoza“, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Staatspräsident de Klerk und Mandela.

Zum ersten Mal: Schwarze kontrollieren Soldaten

Der Friedensplan sieht vor, daß erstmals in der südafrikaischen Geschichte Armeeinheiten einer sogenannten Task Force unterstellt werden, der Mitglieder des Allparteien-Übergangsrats (TEC) und des ANC angehören. Inkatha aber weigerte sich, einen Vertreter zu entsenden, und denunzierte den Abzug der Spezialeinheiten der Polizei als Verrat. Ein Gruppe bewaffneter Inkatha-Anhänger protestierte denn gestern auch prompt in Kathlehong.

Die Obstruktionshaltung Inkathas läßt Schlimmes auch für die Provinz Natal befürchten, die Hochburg der von Mangosuthu Buthelezi geführten Bewegung. Im Rahmen der rechtsextremen Freiheitsallianz besteht er auf mehr Macht für Provinzregierungen nach den Wahlen und ein verändertes Wahlverfahren: Statt nur einem Stimmzettel für Nationale und Regionale Parlamente solle es zwei geben.

Diese Forderung fand in letzter Zeit viele Freunde. Selbst im Präsidium des ANC, der offziell nicht zu dieser Änderung bereit ist, glauben Funktionäre, daß das derzeit vorgesehene Verfahren undemokratisch ist, da es Wählern nicht ermöglicht, für ihre Provinzregierung eine andere Partei zu wählen als für das nationale Parlament. Selbst Olgivie Thompson, Manager des Monopolkonzerns Anglo- American, trat am Dienstag für eine Änderung ein.

Sollten die Verhandlungen zwischen Regierung und Freiheitsallianz unter anderem an diesem Punkt scheitern, haben nicht nur Inkatha, sondern auch rechtsradikale weiße Organisationen mit Gewalt gedroht. In den vergangenen Tagen gab es wiederholte Bombenanschläge auf Züge und Büros des ANC. Beim ANC häufen sich anonyme Drohungen gegen Nelson Mandela. Die Armeeführung informierte in der letzten Woche zudem Staatspräsident de Klerk, daß die Sicherheitslage prekär werden könnte — und daß Streitkräfe und Polizei einem Befehl, gegen weiße Rechtsradikale vorzugehen, in der Mehrheit wahrscheinlich nicht folgen würden.