Durch den Schornstein

■ Koalitionsfraktionen stellen neuen Abfallgesetzentwurf in Bonn vor

Berlin (taz) – Die Bonner Regierungsfraktionen haben sich auf einen neuen Entwurf für ein sogenanntes Kreislaufwirtschaftsgesetz geeinigt. Gestern stellten die Abgeordneten Steffen Kampeter (CDU), Gerhard Friedrich (CSU) und Birgit Hombacher (FDP) eine komplett umgeschriebene Fassung des Gesetzes vor, das das bisherige Abfallgesetz ersetzen soll.

Wesentliche Neuerung: Die Abfallverbrennung wird vereinfacht. Umweltminister Klaus Töpfer hatte in den ursprünglichen Entwurf noch den Vorrang von stofflicher vor der thermischen Verwertung (vulgo Verbrennung) hineingeschrieben. Jetzt soll gelten: Wenn der Brennwert des Mülls mindestens so hoch wie der von Braunkohle ist – was etwa bei Plastik und Papier der Fall ist – und wenn die Energie genutzt wird, dann soll es erlaubt sein, den Müll in Rauch aufgehen zu lassen.

Außerdem sollen nun nicht mehr alle Industrieunternehmen Abfallpläne und -bilanzen erstellen müssen, sondern nur noch Großbetriebe. Nachweisverfahren entfallen, wenn Produktionsrückstände in betriebseigenen Anlagen beseitigt werden – die tatsächlichen Müllmengen interessieren den Staat nicht mehr, wenn nur die öffentliche Abfallentsorgung entlastet wird. Auch muß nicht mehr jeder einzelne Abfalltransport genehmigt werden – schön für die Müllschieber. Der ursprüngliche Töpfer-Entwurf, der im März 1993 im Kabinett abgesegnet worden war, war im Bundestag auf Kritik bei Opposition wie auch Regierungsparteien gestoßen. Während die SPD den Vorrang von Müllvermeidung vor Verwertung nicht genug berücksichtigt fand, monierten die Koalitionsabgeordneten, daß die Wirtschaft zu stark gegängelt würde.

Auch störte die Abgeordneten, daß konkrete Regelungen erst später ohne Bundestag per Verordnung verabschiedet werden sollten. Jetzt sollen die Parlamentarier mit entscheiden dürfen.

Gescheitert ist Töpfer auch mit seinem Versuch, Müll wegzudefinieren. Reststoffe, die verwertet werden sollen, wollte er nicht mehr als Abfall bezeichnet sehen, sondern als „Wertstoffe“. Damit würde solcher Müll aus dem relativ strengen Abfallrecht herausfallen. Dies hätte jedoch gegen europäische Regelungen verstoßen.

Die drei federführenden Koalitionsabgeordneten gaben sich optimistisch, daß ihr Machwerk noch vor der Sommerpause verabschiedet würde. Doch im April oder Mai wird sich der Bundesrat das Gesetz vornehmen. Daß die Länder, die schon den alten Entwurf entschieden ablehnten, nun die neue, industriefreundlichere Fassung akzeptieren, ist höchst unwahrscheinlich. Nicola Liebert