Private Verwalter für Erwerbslosigkeit

■ Verlieren Arbeitsämter ihr Monopol? / Headhunter sitzen schon in den Startlöchern

Berlin (taz) – Der Bundestag wird morgen einen Gesetzentwurf beraten, der mit einem jahrzehntelangen Monopol Schluß macht. Die Vermittlung von Jobs soll danach nicht mehr den staatlichen Arbeitsämtern vorbehalten bleiben. Auch Private sollen sich künftig als Stellenbörsen betätigen dürfen. Diese Veränderung des Arbeitsförderungsgesetzes stößt jedoch außerhalb der Regierungskoalition auf geringe Zustimmung.

Verfechter des Privatisierungskonzepts, das von der FDP und ihrem Wirtschaftsminister Rexrodt angestoßen wurde, finden sich hauptsächlich in Großunternehmen und bei der Heerschar künftiger Privatvermittler. So beschwört etwa die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände das neue „produktive Miteinander“ der staatlichen und privaten Agenturen. Auch Günter Albrecht, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft beim Deutschen Industrie- und Handelstag, setzt auf die heilende Kraft der Konkurrenz. Das Vertrauen in staatliche Arbeitsämter sei inzwischen so gering, daß viele Unternehmer sich nicht mehr die Mühe machten, sich dort zu melden. „Auch den Luxus offener Stellen können wir uns nicht länger leisten“, schimpft der Ökonom auf die Bundesanstalt für Arbeit (BA) und verweist auf rund 220.000 gemeldete freie Arbeitsplätze, denen im Dezember fast 3,7 Millionen registrierte Erwerbslose gegenüberstanden.

Bei den Gewerkschaften hingegen hält sich die Begeisterung über die private Arbeitsvermittlung in Grenzen. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Engelen-Kefer forderte gestern anstelle der Privatisierung eine Reform der Arbeitsämter. Das sei privat betriebene „Geldschneiderei mit der Arbeitslosigkeit“, meinte Engelen-Kefer und kündigte Protestaktionen gegen die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung an.

Auch kleine und mittlere Unternehmer, die klassische Klientel der FDP, geben sich skeptisch. Herbert Blume, Sprecher des Zentralverbands des deutschen Handwerks, warnt davor, mit einer bundesweiten Privatisierung „gleich ins kalte Wasser zu springen“, anstatt das Konzept erst einmal regional zu testen. Die mittleren Unternehmer fürchten, daß die Privaten ihnen mit Hilfe von „Headhuntern“ und finanziellen Lockangeboten Angestellte abjagen werden. Ein Argument, das die deutschen Arbeitgeberverbände vom Tisch philosophieren. Derartige Überlegungen gehen „von einem Menschenbild aus, das nicht der heute vorherrschenden Idee eines entscheidungsfähigen Mitarbeiters entspricht“, heißt es in einem Papier mit der Überschrift „Privatvermittlung jetzt!“. Die Sorge um Spitzenkräfte zwinge Unternehmer zu einem neuen Bewußtsein in Sachen Personalpolitik - zum Wohle der Mitarbeiter und des Unternehmens.

Die vehementesten Gegner der Entstaatlichung sitzen natürlich beim Monopolisten von Nürnberg, der BA. Deren Sprecher Eberhard Mann teilt die Befürchtungen der kleinen und mittelständischen Arbeitgeber. Erfahrungen mit Privaten in der Schweiz, Großbritannien und Dänemark zeigten, daß sie vor allem von der Abwerbung lebten. Und die sei kaum dazu geeignet, die Arbeitslosigkeit zu drücken. Hochqualifizierte Erwerbslose vermittelten auch die Arbeitsämter zügig weiter. Und an den Problemgruppen aus Ungelernten, Behinderten und Langzeitarbeitslosen könnten wiederum die Privaten kein Interesse haben.

Was das neue Verfahren Arbeitssuchenden bringt, muß sich noch herausstellen. Der Koalitionsentwurf sieht vor, daß der Arbeitgeber die Vermittlungsgebühr zahlen muß. In der Praxis kann das anders aussehen. Erfahrungen mit Wohnungsmaklern zeigen, daß neben gesetzlich vereinbarten Gebühren oft auch Schmiergelder über den Tisch gehen.

Darüber hinaus zeichnet sich ab, daß Zeitarbeitsfirmen vorerst die Szene beherrschen werden. „Wir sind bereits in den Startlöchern“, bestätigt die Marketingleiterin von Persona Service, Bianca Fahrenkrug. Sie rechnet damit, daß das Vermittlungsmonopol – wie von der Regierung versprochen – bald aufgehoben wird.

Daß das Monopol früher oder später geschaßt wird, scheint festzustehen. Bei der Novelle handelt es sich um ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz, erklärte ein Sprecher des Arbeitsministeriums. Wenn es - wie erwartet - vor der Sommerpause den Bundestag passiert, hat der SPD-dominierte Bundesrat nur noch ein Einspruchsrecht. Das wiederum können die Kollegen aus dem Bundestag überstimmen. Silvia Schütt