„Projekte gründen und zumindest Teilsubventionierung erreichen“

■ Monika Frommel, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Kiel, über den Anspruch, daß Mütterchen Staat alles richten soll

taz: Frau Frommel, im Kinder- und Jugendhilfegesetz heißt es: „Ein Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr an hat bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens.“ Mit dieser Regelung, die ab 1. 1. 1996 gelten sollte, wurde den Frauen der Paragraph 218 schmackhaft gemacht. Nun kommt heraus: die Regierung wird diesen Anspruch nicht einlösen. Was können Frauen oder Eltern unternehmen, die auf die Zusage vertraut haben?

Monika Frommel: Die Frauen können im Grunde nur darauf hoffen, einen Kindergartenplatz zu finden. Die Kommunen sind lediglich verpflichtet, im Rahmen der vorhandenen Haushaltsansätze für Kindergartenplätze zu sorgen. Das heißt: ein subjektiver Rechtsanspruch läßt sich durch das Kinder- und Jugendhilfegesetz nicht formulieren. Aber es gibt ja die Möglichkeit, sich eine private Kinderbetreuung finanzieren zu lassen.

Dieser Anspruch leitet sich jedoch nicht aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz ab.

Indirekt schon. Die dort formulierte umfassende Kinderbetreuung könnte man als eine Art Staatsziel ansehen. Und die Kommunen sind ja verpflichtet, das ihnen Mögliche für die Kinderbetreuung zu tun.

Wie kann das Parlament zunächst ein Gesetz verabschieden und es dann zurücknehmen?

Dieses Gesetz war immer eine Mogelpackung. Die Frauen müssen jetzt deutlich machen, daß sie über diese Scheinansprüche sehr verärgert sind. Aber es gibt so gut wie nie einen subjektiven Rechtsanspruch auf staatliche Leistung.

Läßt sich denn die Unterstützung privater Initiativen gerichtlich einklagen?

Nein. Aber man kann Projekte gründen und zumindest eine Teilsubven tionierung erreichen. Mit dem formulierten Staatsziel im Hintergrund hat man allerdings eine bessere Argumentationslinie.

Wie können Frauen sich absichern? Müßten sie sich bei der 218-Beratung attestieren lassen, der versprochene Kindergartenplatz sei für sie das Hauptmotiv, das Kind auszutragen?

Atteste solcher Art sind völlig irrelevant. Die Schwangerschaftsberatungsstellen können zwar in ihren Unterlagen dieses Motiv vermerken, mehr aber auch nicht.

Was, außer den Mißstand zu konstatieren, bleibt als Reaktion?

Wir müssen mehr private Aktivitäten zeigen. Gerade bei Kleinkindern ist es doch angemessen, sie in kleinen Gruppen betreuen zu lassen. Ich selbst habe vor 25 Jahren einen selbstverwalteten Kinderladen gegründet. So konnte ich immer berufstätig bleiben. Wenn man Eltern-Selbsthilfegruppen gründet, kann man sich die Personalkosten vom Staat bezahlen lassen. In den neuen Bundesländern, wo es doch so viele Kindertagesstätten gibt, sollte man sehen, daß man diese Einrichtungen erhält und privat weiterbetreibt.

Sie sehen eine neue Kinderladenbewegung wie in den 70ern?

Warum nicht? Man kann doch in den Kinderläden Ersatzdienstleistende beschäftigen oder arbeitslose Erzieherinnen anstellen. Wenn die Eltern einen Kostenbeitrag geben, ist man auch in der Lage, die Gruppen kindgerecht klein zu halten. Kindererziehung bleibt natürlich eine öffentliche Aufgabe. Aber das heißt doch nicht, daß man passiver Konsument staatlicher Leistungen sein soll. Das stört mich übrigens an der ganzen Debatte: dieses passive Warten, daß Mütterchen Staat immer alles erledigt. Interview: Annette Rogalla